Anfang ’88 machte ich mir zum ersten Mal Gedanken über ein Druckertestprogramm, und im Sommer stellte ich es dem werten Publikum in [1] vor. Damals geschah das in erster Linie, um einheitliche Testverfahren zu schaffen. Das Programm sollte dem Anwender erstens einen schnellen Überblick über die beim jeweiligen Gerät möglichen Funktionen geben. Aber auch dessen Geschwindigkeit sollte - zumindest relativ zu anderen Maschinen - beurteilt werden können. Bei den ersten Entwürfen standen denn auch mehr die Verträglichkeit gegenüber bestimmten Steuercodes und -kombinationen im Vordergrund. Das betraf in erster Linie Probleme, die von den 9-Nadeldruckern her bekannt sind.
Nun gibt es zwar immer noch 9-Nadler, aber der Markt ist seitdem gewaltig verschoben. Kaum mehr ein ST-Neuling, der nicht aufgrund des Schriftbildes mit einem 24-Nadler oder gar Laser liebäugelt. Wenn er dann doch beim 9-nadligen landet. dann nur aus Kostengründen. Doch sein kritisches Auge wird immer ein wenig neidvoll auf die qualitativ besseren Druckerzeugnisse der teureren Geräte schielen (lassen Sie mich im weiteren nur die Nadeldrucker betrachten). Programme wie Signum!, STAD, Script, Tempus Word, Calamus u.a., die den jeweils besten Ausdruck mit einer Maschine erlauben, fördern diesen Neid natürlich.
Das ist aber nicht Punkt der Kritik. Vielmehr hat die Industrie (vor allem die japanische) genau diesen Drang nach immer mehr Druckqualität erkannt. Und so hören die realen Kaufpreise der 24-Nadler nicht auf zu fallen. Mittlerweile liegen die von den Herstellern empfohlenen (und vom Handel mehr oder weniger unterbotenen) Preise solcher Drucker oft deutlich unter 1000 DM. Diese Entwicklung hat ihrerseits Rückwirkungen auf den Software-Markt, beide Einflüsse aber müssen sich in einem Programm niederschlagen, das Testmethoden für Drucker zur Verfügung stellt.
Ein Blick zurück. Wer anno '87 einen der ersten NEC P6 kaufte (das war der erste 24-Nadler, der 360 DPI auch in der Senkrechten drucken konnte und damit eine gewisse Vorreiterrolle innehat), der kam kräftig ins Grübeln. So gut wie keine Software unterstützte die Fähigkeiten dieser Maschine, Ataris Betriebssystem erst recht nicht. Seit dieser Zeit existieren gute wie abenteuerliche Lösungen, aus den verschiedenen Programmen heraus dann doch mit 24 Nadeln zu drucken. Erinnert sei an dieser Stelle noch einmal an die Verrenkungen i.S. Wordplus und 24-Nadelgrafik, von denen wir dank GSTs britischem Anachronismus auch mit der Version 3.xx nicht befreit wurden.
Betrachtet man den ST-Markt heute, stellt man fest, daß die Probleme bei der Anpassung einer neuen Maschine an vorhandene Software immer geringer werden, da es sich mittlerweile auch bei Textverarbeitungen einbürgert, Schönstschrift auf grafischem Wege zu erstellen. Gut bedient ist, wer überdies noch die Möglichkeit hat, die druckereigenen Fonts für einen ‘Draft-Ausdruck' zu nutzen (Script, Tempus Word). Das bringt nach wie vor Geschwindigkeitsvorteile. Doch dann ist wieder der Treiber gefragt. Die klassische Einordnung einer Maschine nach dem Befehl für den 360-DPI-Zeilenvorschub (Oki: ‘ESC +\ Epson: ‘ESC (\Nec: ‘FS 3’), wie sie für den Grafikdruck reicht, genügt hier nicht mehr. Es hat sich aber bereits rumgesprochen, daß Software beim Kunden einfach besser ankommt, wenn gängige Drucker unterstützt werden. Und die Entwicklung geht tatsächlich in diese erfreuliche Richtung.
Was der Grafikdruck für beide - Drucker und Rechner/Software - bedeutet, kann gar nicht nachdrücklich genug betont werden. Dazu zwei Zahlen, die man gedanklich über den Centronics-Port schaufeln sollte: Der DIN A4-Geschäftsbrief aus DIN 32751 (Testpunkt ‘Geschäftsbrief' im Testprogramm) bringt als ASCII-Dokument 1690 Bytes zu Diskette. Mehr hat normalerweise auch der Drucker nicht zu verkraften. Druckt man ihn als grafischen Text, also unter Zuhilfenahme von entsprechenden Fonts mit der für 24-Nadler typischen Auflösung von 360 mal 360 DPI, sind dafür ca. 268000 Bytes zum Drucker zu bringen.
Das bringt Probleme. Denn die eine DIN A4-Seite mit Text trägt ja für den Leser deshalb nicht mehr Informationen. Sie verlangt trotzdem mit einem Male riesige Datenbewegungen. Auch in Sunnyvale hatte niemand daran gedacht. Als die dafür zuständige BIOS-Funktion entworfen wurde, statteten Ataris Entwickler sie mit äußerst magerer Geschwindigkeit aus. Aus dieser Not heraus begannen klassische Programme wie Stad und Signum! schnell, eigene Interrupt-Routinen für die Ausgabe zu benutzen. Die Datenrate der Druckausgaben stieg so von ca. 2000 Bytes/Sekunde auf fast 1300.
Doch das Gerät am anderen Ende des Kabels hat da natürlich mitzureden. Genau an dieser Stelle trennen sich bei den Druckern Spreu und Weizen. Ein Drucker, der im Textmodus phantastische Zeiten zu Papier bringt, kann sich durchaus im Grafikdruck als lahm erweisen. Ein wenig verallgemeinert sind es typische PC-Drucker, die solches Verhalten zeigen. Denn am IBM-kompatiblen Rechner rangiert Textdruck an erster Stelle. Doch warten wir's ab: Mit Windows hat sich auch diese Gemeinde eine grafische Oberfläche zugelegt und wird mit Sicherheit auch in Sachen Drucker bald umdenken (müssen).
Wer viel mit Grafikprogrammen zu tun hat, weiß es: Die Umsetzung eines Bildes, vor allem größeren Formates, braucht auf seiten des Druckers erheblich Zeit. Im Zeichen der Zeit ist Ganzseitengrafik mit 360 DPI das, was viele heute ihrem 24-Nadler an die Schnittstelle liefern. Preiswerte Scanner, der billige Speicher, der es uns erlaubt, eine mit höchster Qualität gescannte DIN A4-Vorlage komplett darin zu behalten und überdies noch zu bearbeiten. Die Mal- und DTP-Programme, die solche Grafikmengen auch verwalten, Großbildschirme, die unsere Augen verwöhnen, machen das möglich und zur Freude.
Wir rechnen: Unsere Drucker können typischerweise auf acht Zoll Breite drucken. Mit einer Auflösung von 360 Punkten pro Zoll und jeweils 3 Bytes pro Spalte ergibt das
8 * 360 * 3 = 8640 Bytes.
Mithin fünf Briefe (s.o.) in einer Druckzeile! So mancher Druckerhersteller hat aber immer noch nicht gemerkt, daß 22 Letter-Quality-Fonts zwar eine schöne Sache sind, aber vielen Leuten nicht helfen. Vielmehr fungieren Drucker heute mehr und mehr als Rastergrafikerzeuger (auch wenn die Grafik oft lesbaren Text ergibt).
Seit letzter Ausgabe erhalten Sie über den Public-Domain-Service der ST-Computer die neueste Version des Druckertestprogramms (ST-PD 420/421). Es trägt stolz die Versionsnummer 3. Die Neuerungen gegenüber der Vorgängerversion ergaben sich überwiegend als Konsequenz der geschilderten Entwicklung hin zu mehr Grafik.
Entsprechend sind die Tests, die sich mit normalem Textdruck befassen, unverändert geblieben. Das sind ein fünfzehnseitiges Dokument und der DIN-Brief, genannt ‘Geschäftsbrief'.
Bereits für den Vergleichstest in [2] gab es einen neuen Grafiktest. Hatte das Testbild bislang ca. 32 kBytes, so ist das neue fast neunmal so groß, inklusive Steuerzeichen ca. 281 kBytes lang. Es ist dies eine Schwarzweiß-Hardcopy, die das Hardcopy-Accessory (ST-Sonderdisk 15) aus einem Farbbild erzeugte. Da sie ausschließlich für 24-Nadler mit einer Auflösung von 360 Punkten pro Zoll sowohl in waagerechter als auch senkrechter Richtung aufgenommen wurde, muß dieser Test für alle anderen Drucker ausfallen.
Die nächste Neuerung betrifft die Ausgabegeschwindigkeit. Mit der neuen Version traktiert auch das Druckertestprogramm den Drucker mit einer Datenrate von ca. 14500 Bytes/Sekunde. Alle Grafiktests werden mit dieser hohen Geschwindigkeit durchgeführt. So läßt sich ausschließen, daß der Drucker auf den Rechner wartet. Davon ausgenommen ist der Testpunkt ST-Hardcopy. Dessen Ergebnisse bleiben daher mit denen der alten Programmversion vergleichbar.
Neu ist ebenfalls der Testpunkt Graphischer Text. Hier wird ebenfalls der Geschäftsbrief gedruckt. Allerdings - wie oben geschildert -auf grafischem Wege in der Auflösung 360 mal 360 DPI bzw. 360 mal 180 DPI. Die so gewonnenen Ergebnisse sind vergleichbar mit den bisherigen Angaben Signum-Brief. Auch für Neunnadler ist dieser Test verfügbar. Dort in der höchsten Auflösung von 240 mal 216 DPI.
Für die farbfähigen 24-Nadeldrucker, diese Neuerung ergibt sich aus der Tendenz hin zum farbigen Bild bei ST/STE/TT, gibt es ebenfalls ein eigenes Testbild. Nicht nur Geschwindigkeit wird damit gemessen, sondern auch die Qualität des Druckers kann gut beurteilt werden. Und ganz nebenbei - hält man hinterher ein schönes Farbbild in den Händen. Drauf abgebildet: Eine der 'Nanas' jene bunte Plastiken der Künstlerin Nicki De Saint-Phalle, die das Leineufer in Hannover bevölkern. Wenn Sie zur nächsten CeBIT kommen, schauen Sie sich das Original mal an!
Wie fand nun die bunte Dame ihren Weg in den ST? Ein Foto wurde mittels Epsons Farb-Scanner GT6000 und der Bildbearbeitungs-Software ‘tms Cranach' gescannt. Anschließend wurde das Bild ohne weitere Bearbeitung gedruckt. Dafür mußte es natürlich gerastert werden, wobei die Rasterart Fine Fatting gewählt wurde. Die Ausgabe erfolgte nicht direkt an den Drucker, sondern wurde als Druckdatei auf die Platte geschrieben. Genau diese Datei gibt das Druckertestprogramm unter dem Menüpunkt Farbbild mittels Interrupt-Routine so schnell wie möglich aus.
... werden Sie sich fragen. Prinzipiell braucht natürlich niemand ständig seinen Drucker auf Geschwindigkeit hin zu prüfen - er muß so oder so mit ihm leben. Doch in der Praxis erlauben einige Testdurchgänge den Vergleich des eigenen Druckers mit den in der ST-Computer getesteten. Eine schnelle Einordnung des noch unbekannten Geräts wird so möglich.
Darüber hinaus wartet das Programm mit eine Reihe nützlicher Kleinigkeiten auf, die Aufschluß über das Verhalten der Maschine geben. Besonders zu erwähnen: die Grafikprobe, die Kompatibilitätstests und nicht zuletzt der Codeschicker, der einem besonders bei der Treibererstellung oder -anpassung hilft. Es gibt ihn auf der Diskette auch einzeln als Accessory, damit er Ihnen immer zur Verfügung steht.
Und last not least dürfen Testberichte nicht durch irgendwelche Geheimniskrämerei Zustandekommen. Die Testverfahren sind öffentlich, und jeder kann sie nach vollziehen. Bleibt zu hoffen, daß das auch die Druckerhersteller tun, wenn sie das nächste 24-Nadler-Betriebssystem entwerfen...
IB
[1] 120 Nadeln machen Druck - ST-Computer 7/88 S.164ff
[2] Aufstieg zu den Profis - ST-Computer 5/90 S.43ff