Bis der Draht glüht: Mit 19200 Bits/s über die Telefonleitung

Nachdem Modems mit einer maximalen Übertragungsgeschwindigkeit von 1200 und 2400 Baud rege Verbreitung gefunden haben, sind jetzt immer häufiger die sogenannten High-Speed-Modems zu entdecken, die eine Geschwindigkeit bis zu 19200 bps (bps Abk. für „Bits pro Sekunde“) oder noch mehr unterstützen. Da sich auch in diesem Marktbereich ein nahezu unüberschaubares Angebot entwickelt hat, haben wir einige Geräte aus der Masse herausgepickt und servieren Ihnen hier nun das Ergebnis unserer Beobachtungen.

Die Zeit der 2400-Baud-Modems ist vorbei! Das könnte man zumindest meinen, wenn man sich einmal das Angebot an schnelleren Geräten vor Augen führt: Von FAX-Modems der Klasse G3 über Modems mit einer maximalen Geschwindigkeit von 9600 bps bis hin zu Highest-HiTech-Geräten, die eine Übertragungsgeschwindigkeit von 14400 oder gar über 19200 bps ermöglichen. Wahrlich schwer, aus dieser Fülle von Geräten eines herauszusuchen, das den eigenen persönlichen Anforderungen genügt.

Parken im Halteverbot

Um Ihnen die Auswahl ein klein wenig zu erleichtern, haben wir also einige Geräte zusammengetragen und stellen sie hier vor. Dabei muß allerdings hervorgehoben werden, daß keines der hier vorgestellten Geräte eine Betriebsgenehmigung (ZZF-Nummer) der DBP Telekom aufzuweisen hat. Diese Geräte dürfen, entgegen aller anderslautenden Gerüchte, nicht an das Telefonnetz der Deutschen Bundespost Telekom angeschlossen werden. Achtung! Kümmern Sie sich als Benutzer nicht um diesen Umstand, so kann das, sofern die Telekom den Betrieb bzw. den Anschluß mitbekommt, einige unangenehme Fragen nach sich ziehen. Wenn durch den Modembetrieb keine Störung im Telefonnetz verursacht wird, kann die Sache durchaus glimpflich ausgehen. Andernfalls müssen Sie als Verursacher eventueller Defekte an Schalteinrichtungen der Telekom für deren Reparatur aufkommen.

Soweit die offizielle Verlautbarung. Ich hingegen kenne genug Leute, die ein Taiwan-Modem in Betrieb haben, das auch von einem Techniker der Telekom besichtigt wurde. Allerdings interessierte das den Techniker nicht sonderlich, weil die zu beseitigende Störung nicht von diesem Gerät her rührte: Keine Beschlagnahme, keine Geldstrafe, kein gar nichts. Davon mag man halten, was man will - riskant ist die Sache trotzdem.

Übrigens: Mit der Öffnung des europäischen Binnenmarktes zum 1. Januar 1993 sind alle DFÜ-Geräte dann automatisch und ohne ZZF-Prüfung auch für Deutschland zugelassen, wenn sie mindestens in einem anderen Mitgliedsland der EG von der nationalen Postbehörde bereits zugelassen waren. Dazu gehören fast alle Fernost-Produkte, denen dasZZF (Zentralamt für Zulassungen im Fernmeldebereich) in Saarbrücken bisher die gewünschte Nummer nebst Bundesadler auf dem Aufkleber (Posthörnchen ist out) verweigerte.

Überblick

Wir haben Geräte ausgewählt, die mindestens eine Übertragungsgeschwindigkeit von 9600 bps ermöglichen. Was darüber hinaus an Fehlerkorrektur, Datenkompression und noch höherer Geschwindigkeit möglich ist, wird natürlich zusätzlich angegeben.

So, das reicht wohl als Vorrede. Falls Sie noch nicht wissen, was Bezeichnungen wie „MNP“, „Trellis“, „V24 bis“ usw. bedeuten, können Sie einen Blick in einen der umrahmten Textkästen werfen, die hierüber (hoffentlich ausreichend) Aufklärung geben.

ATRIE 9632 MNP5

Das ATRIE-Modem unterstützt Übertragungsgeschwindigkeiten von 300 bis hin zu 9600 bps und stellt die Fehlerkorrektur nach MNP (Klasse 2 bis 4) und Datenkompression nach MNP 5 zur Verfügung. Das Metallgehäuse wirkt recht stabil und ist feuerbeständig. Sie können also beruhigt Ihren Aschenbecher dort plazieren (die Nichtraucher unter Ihnen mögen mir verzeihen). Die Leuchtdioden am Front-Panel sind übersichtlich angeordnet und ausreichend bezeichnet, wobei drei Schalter bzw. Taster auffallen. Mit diesen ist es möglich, zwischen Voice/Data umzuschalten (direkte Verbindungsübernahme bei einem normalen Telefongespräch, aber nur wenn ein Telefonhörer am Modem angeschlossen ist) und zwischen Answer- und Originate-Mode auszuwählen. Letzteres ist vielleicht für Mailbox-Betreiber interessant, die so nicht andauernd das Konfigurationsprofi 1 ändern müssen - ein Tastendruck genügt.

Die Konfiguration des Modems ist aufgrund des knapp ausgefallenen und in Englisch gehaltenen Handbuchs für Einsteiger sicherlich nicht einfach. Bear-communications liefert aber einige Blätter mit, die diesem Manko ein wenig abhelfen. Trotzdem, ein DFÜ-Neuling bleibt alleingelassen (mal abgesehen von der Hotline). Auch vermisse ich einen Hinweis, daß man die firmenseitige Einstellung des Sendepegels nicht verändern sollte, was technisch bei diesem Modem möglich ist.

Die softwaremäßige Anzeige über die aktuelle Modemeinstellung (ai\s bringt sie zutage) wirkt recht übersichtlich im englischen Klartext. Ist nun alles eingestellt, und es wird eine Mailbox angerufen, fällt man nach dem Abheben des Modems erst einmal vom Stuhl; selbst auf die geringste Lautstärke eingestellt, ist der Lautsprecher noch dermaßen laut, daß man seine Existenz wahrlich nicht leugnen kann. Also stellt man ihn lieber ganz ab und verzichtet so auf die Mithörkontrolle beim Verbindungsaufbau.

Nachdem nun viele Städte mit einer digitalen Vermittlungsstelle (ISDN) ausgerüstet sind, ist für diese auch Mehrfrequenzwahl interessant. Das hat den bescheidenen Vorteil, daß die Zeit zwischen der zuletzt gewählten Nummer und Freioder Besetztzeichen sehr viel kleiner ist, die Verbindung also nahezu sofort zustandekommt. Doch hier sind beim ATRIE zwei weitere Schwächen zu bemerken: Auf der einen Seite „verwählt“ sich das Modem bei der Ton wähl, und auf der anderen Seite ist die Erkennung des deutschen Besetztzeichens dermaßen schlecht, daß sie, wenn überhaupt, nur höchst selten funktioniert. So muß man während des Wählvorgangs, sofern die Leitung belegt ist, immer anwesend sein. Denn kommt es innerhalb einer bestimmten, einstellbaren Zeit (meist zwischen 30 und 60 Sekunden) zu keiner Verbindung, legt das Modem wieder auf und sendet ein NO CARRIER zum Rechner. Damit aber wiederum können die meisten Terminalprogramme nichts anfangen, weil sie ein BUS Y erwarten und dann den Wählvorgang erneut starten, bis halt eine Verbindung zustandegekommen ist.

Verständigungsprobleme mit anderen Modemtypen gab es erwartungsgemäß nicht. Es kann selten passieren, daß die beiden Modems ihre Carrier nicht finden und es zu keiner Verbindung kommt, aber dafür sind nicht die Geräte, sondern ein „Leitungsrülpser“ verantwortlich - damit muß man halt leben. Getestet wurde dies übrigens, und das gilt für alle anderen hier vorgestellten Geräte auch, mit folgenden Modems: Telebit T2500, USR HST, USR Dual Standard, Digicom, Discovery 2400, BEST 2400 und BAUSCH CN-3532 SA plus.

Bei einen Verkaufspreis von 1298 DM sollten die genannten Mängel eigentlich nicht auftauchen. Wenn das Problem der Busy-Erkennung und des MFV nicht wäre (bear-communications will sich aber darum kümmern), könnte das ATRIE-Modem durchaus empfohlen werden.

Preis: 1298,- DM

Bezugsadresse:
Bernhard Ascherl Siedlerstr. 15 W-8502 Zierendorf

# Datenkompression

Mittlerweile wird viel über die hardwaremäßige Datenkompression (nach MNP 5 oder V.42bis) geschrieben; Hersteller werben mit einer Übertragungsgeschwindigkeit von 19.200bps. Daß dies so nicht ganz richtig ist, kann man leicht nachvollziehen:

Die serielle Schnittstelle des ST wird meist auf 19200 Baud eingestellt - die Daten werden also schneller zum Modem geschickt, als das Modem sie über die Telefonleitung übertragen kann. Um das Modem nun nicht mit Daten zuzuwerfen, gibt es an der RS232-Schnittstelle zwei Leitungen, die den Datenfluß regulieren (RTS und CTS genannt), aber vom Betriebssystem des ST nicht richtig behandelt werden -doch dazu kommen wir gleich.

Den durch diese Methode gewonnenen Zeitvorsprung nutzt die Elektronik des Modems, um die Daten, die noch in seinem Puffer stecken, zu komprimieren (Software-Lösungen zum Komprimieren von Files nennen sich LHarc, ARC, ZOO, ZIP usw.) und erst dann über die Telefonleitung zu schicken. Die Gegenstelle entpackt diese Daten und schickt sie wieder zum Rechner.

Eine effektive Übertragungsgeschwindigkeit von 19.200bps erreicht man nur mit einer ganz bestimmten Art von Dateien: ausführbare Programme beispielsweise lassen sich meist viel schlechter komprimieren als Text-Files. So erreichte ich bei einer Übertragung mit ZMODEM von 140kByte Text mit einer Verbindung von 9600bps einen effektiven Datendurchsatz von rund 1900cps.

Da im harten DFÜ-Alltag meist bereits gepackte Files übertragen werden, kann die hardwaremäßige Kompression natürlich nicht in vollem Umfang zuschlagen. Aber wenn man die technische Möglichkeit hat, eine V.42bis-Verbindung herzustellen, sollte man das auch ruhig ausnutzen, denn: Kann der V.42bis-Algorithmus nicht effektiv komprimieren, läßt er es halt (im Gegensatz zu MNP 5 - die Daten werden langer). Als Faustregel gilt (sofern technisch möglich):

V.42bis und V.42 immer angeschaltet lassen, MNP 5 ausschalten, aber ruhig mit MNP 4 arbeiten (wenn nötig, wenn z.B. die Gegenstelle kein V.42/V.42bis kann).

Zwei Vorteile haben MNP 4 und V.42 dennoch, obwohl sie die Daten nicht komprimieren: die Übertragung der Daten erfolgt synchron. Das heißt, daß für ein Byte nicht wie herkömmlich 10 Bit benötigt werden (8 Bit Daten, 1 Start- und 1 Stop-Bit), sondern nur 8 (reine Daten). So kann man auch bei einer 2400bps-Verbindung einen Datendurchsatz von zirka 275cps erreichen (das theoretische Maximum von 300cps erreicht man aufgrund des MNP- und V.42-Overheads nie). Der zweite Vorteil ist die „fehlerfreie Leitung“: Tritt bei der Übertragung ein Fehler auf, wird der letzte Block einfach nochmal angefordert. Der Anwender bekommt von diesen Vorgängen nichts mit und hat keinen Zeichenmüll mehr auf dem Bildschirm (z.B. durch ein Knacken auf der Telefonleitung).

Atari und der Hardware-Handshake

Wie Sie sehen, ist bei den oben beschriebenen Verfahren ein Handshake mittels RTS und CTS notwendig. Leider hat es Atari bis heute nicht auf die Reihe bekommen, einen funktionierenden RTS/CTS-Handshake zu implementieren [mal abgesehen von den Fehlern in rsconfi), für die es seit langem Patch-Programme gibt]. Das Problem dabei ist, daß jedes Modem unterschiedlich auf diesen Fehler reagiert, der im übrigen nur beim Senden von Daten auftritt: Manche Modems arbeiten einwandfrei, manche ein bißchen und manche gar nicht.

Eine Abhilfe ist es, die Geschwindigkeit der seriellen Schnittstelle immer so einzustellen, daß sie der der momentanen Modemverbindung entspricht - nur kann man dann keine Geschwindigkeitsvorteile durch eine synchrone Verbindung (MNP/V.42) erwarten, eine hardwaremäßige Kompression würde in jedem Falle bremsen, da der ST die Daten nicht schnell genug anliefert und der Vorgang der Kompression auch seine Zeit benötigt..

Software-Lösungen dieses Problems gibt es bereits, die aber aufgrund der verschiedenen Modemtypen nur vereinzelt funktionieren. Es soll bald ein Programm für den AUTO-Ordner von Karsten Isakovic geben, das dieses Problem endgültig beseitigt (die Version zum direkten Patch der ROMs funktioniert zumindest hervorragend).

GM 96V+

Dieses Gerät des Herstellers GVC ermöglicht ebenfalls eine Übertragung von 9600 bps und ist auch sonst, was den Großteil der eingebauten Elektronik betrifft, fast baugleich mit dem ATRIE (und, wie wir bald sehen werden, auch mit dem Tornado).

Das GM 96V+ wird in einem stabilen Metallgehäuse geliefert, das vom Farbton her dem altbekannten Atarigrau sehr nahekommt. Am Front-Panel sind zwölf Leuchtdioden zu finden, wobei die Beschriftung nur neun bezeichnet (und das noch verschoben). Das (englische) Handbuch gibt hierüber jedoch Auskunft: Dem Modem wurden zusätzlich vier Leuchtdioden zurGeschwindigkeitsanzeige gespendet, wobei eine davon auch sinngemäß richtig am Panel beschriftet worden ist. Die drei Leuchtdioden links daneben geben über die Geschwindigkeit Auskunft [9600 (beschriftet mit HS), 4800, 2400, 1200].

Die Vertriebsfirma TKR legt ihren Modems noch ein ausführliches deutsches „Einheitshandbuch“ (für alle GVC-Modems der Serie GM) bei, das selbst bei einem DFÜ-Neuling kaum noch Fragen offen läßt. Spezialitäten dieses Modemtyps muß man aber dennoch im Originalhandbuch nachlesen, wobei das gezielte Nachschlagen durch ein beispielhaftes Inhaltsverzeichnis erleichtert wird.

Schaut man noch einmal in den Karton, findet man ein kleines Heftchen, das die V.42-Zusatzbefehle erläutert und darüber hinaus auch eine Zusammenfassung aller Modembefehle enthält. Um Mißverständnisse zu vermeiden: Eine Datenkompression nach V.42bis unterstützt dieses Modem nicht, ein solches ist aber über TKR auch zu beziehen.

Ist das Modem konfiguriert, und läßt man es abheben, ertönt ein dezentes Freizeichen. Die Lautstärke des Lautsprechers läßt sich über den ‘/'-Befehl hervorragend einstellen und ermöglicht ein angenehmes Arbeiten (man muß ja nicht vom Stuhl fallen...). Die Busy-Erkennung braucht zwar immer etwas Zeit (fast regelmäßig nach dem 10. Besetzton), aber sie hat mich während der Testphase kein einziges Mal enttäuscht.

Interessanterweise klackt der Lautsprecher leise bei einem Modem-Reset (atz) und beim Abheben (athl bzw. beim Anwählen einer Mailbox), obwohl er ausgeschaltet ist. Das stört zwar nicht weiter, ist aber unschön. Unschön und vor allen Dingen unübersichtlich ist auch die Art und Weise, wie man die aktuelle Konfiguration auf den Bildschirm präsentiert bekommt. Da hätte man sich mal ein Beispiel an den USR-Geräten nehmen sollen (siehe Abbildung).

Alles in allen ist das GM 96V+ ein durchaus interessantes Gerät, das zwar ästhetischen Ansprüchen nicht unbedingt genügt, seine Arbeit aber zuverlässig erledigt. Schaut man noch einmal mit einem vergleichenden Auge auf den Leistungsumfang des ATRIE-Modems, so erhält der Anwender hiermit ein in vielerlei Hinsicht besseres Gerät zum gleichen Preis.

GVC GM 96V+ - So erscheint die Konfiguration.

Preis: 1298,- DM

Bezugsadresse:
TKR Stadtparkweg 2 W-2300 Kiel 1

USR DUAL STANDARD

Dieses Gerät sticht schon allein durch sein Aussehen, aber auch durch seinen Leistungsumfang und seinen Preis (im Moment bei 2300 DM aufgrund des steigenden Dollarkurses) aus der Menge hervor.

Das USR Dual Standard unterstützt alle Übertragungsgeschwindigkeiten bis hin zu V.32bis, also echte 14.400 bps bidirektional. Bei diesen Übertragungsgeschwindigkeiten gibt es zwei Normen: HST, geprägt durch US Robotics selbst, ermöglicht die Übertragung von 14.400 bps auf dem einen Kanal und ca. 440 bps auf dem zweiten.

Damit kommt man dem Umstand entgegen, daß eine große Anzahl von Daten zur selben Zeit nur in eine Richtung übertragen werden. Sollte es nun Vorkommen, daß auf dem 440-bps-Kanal die Anzahl der Daten drastisch zu- und gleichzeitig auf den 14.400-bps-Kanal abnimmt, wird einfach umgeschaltet. Ein sinnvolles Beispiel hierfür wäre eine Übertragung eines Files mit ZMODEM: In eine Richtung werden die Daten des Files übertragen, in die andere Richtung nur 4 Bytes Check-Summe. V.32bis ist eine Norm, nach der auf beiden Kanälen gleichzeitig 14.400bps übertragen werden können.

Das USR Dual Standard unterstützt beide Normen (halt ‘dual Standard’), was sich erstmal ziemlich unsinnig anhört - ist es aber nicht: Es gibt ein Modem von US Robotics, das 2400 bps kann und zusätzlich noch den HST-Modus unterstützt -ohne Zwischenstufen (im FIDONET ist dieses Gerät wirklich weit verbreitet). So können Mailboxen mit gleichen Modems das Netz mit 14.400 bps fahren, aber eine Menge Geld bei der Anschaffung des Modems sparen. Wählt man nun als Besitzer eines High-Speed-Modems (z.B. das bereits vorgestellte ATRIE-Modem), das kein HST kann, eine solche Box an, bekommt man eine Verbindung von 2400 bps - ein bißchen wenig, zumal man nach hoher Geschwindigkeit direkt süchtig werden kann. Abhilfe schafft hier ein Modem, das den HST-Modus unterstützt - und wenn sich der Käufer noch häufig in none-HST-Boxen herum treibt, kann man ja, so dachte sich wohl der Hersteller, ein Modem anbieten, daß alle Geschwindigkeiten bis hin zu V.32bis UND den HST-Modus unterstützt. Das USR Dual Standard ist also (wahrscheinlich) das Ergebnis einer solchen Überlegung.

Kommen wir jetzt aber zum Modem selbst: Auf der Vorderseite sind, wie gewöhnlich, einige LEDs angeordnet, die über den aktuellen Stand der Dinge Auskunft geben sollen. Was bei der Frontanzeige fehlt, nämlich die Anzeige der Geschwindigkeit, hat man bei den Connect-Strings wieder rausgeholt: Sobald das Modem einen Carrier erkannt hat, bekommt der Anwender die ausführlichsten Informationen über die Verbindungsgeschwindigkeit, Modulationsverfahren, Fehlerkorrektur und über eine eventuelle Datenkompression. Am Anfang muß man sich zwar erst daran gewöhnen, aber nach einiger Zeit möchte man wirklich nicht mehr darauf verzichten.

Information wird bei US Robotics anscheinend groß geschrieben: Über ati4 und ati5 kann man sich die aktuelle und die abgespeicherte Konfiguration des Modems übersichtlich anzeigen lassen. Des weiteren stellt das Modem auch noch eine Hilfsseite zur Verfügung - wenn das Handbuch gerade mal nicht greifbar ist (siehe Abbildung).

Auch kann man den an der Vorderseite angebrachten Schalter umprogrammieren (er ist eigentlich für das Umschalten von Modem <—> Sprache gedacht) und so beispielsweise das Modem über Knopfdruck neu initialisieren (sprich Reset). Negativ ist das nicht gerade stabile Plastikgehäuse aufgefallen. Sowas läßt sich zwar verschmerzen (der Monitor paßt sowieso nicht darauf), macht aber einen wackligen Eindruck.

Die Lautstärke des eingebauten Lautsprechers läßt sich durch einen Befehl oder auch durch ein Einstellrädchen an der Vorderseite beeinflussen - so kann sich jeder ‘seine’ Lautstärke stufenlos einstellen.

Das Handbuch des USR Dual Standard ist, obwohl in englischer Sprache, sehr ausführlich und so einfach geschrieben, daß dazu die Englischkenntnisse von vor 15 Jahren ausreichen. Es führt gut in die Bedienelemente des Modems ein und erklärt ausführlich die einzelnen Modembefehle und -register. Nachteilig kann sich jedoch die fehlende Beschriftung der Buchsen auf der Rückseite des Modems aus wirken, die zwar allesamt im Handbuch beschrieben sind, aber dennoch ohne dieses verwechselt werden können. Weiterhin gab es keine Verbindungsprobleme mit anderen Modems. Das Dual Standard hat fast immer die höchstmögliche Geschwindigkeit und die beste Art der Fehlerkorrektur (V.42 oder V.42bis) ausgewählt. Lediglich bei dem Telebit T2500 gab es nur Verbindungen von 9600bps/V.42bis. Das liegt jedoch daran, daß das USR nicht den PEP-Modus des T2500 kennt und sich beide Modems auf die nächstkleinere Stufe ‘einigen’. Die Busy-Erkennung funktioniert hervorragend (in der Regel benötigt das Modem 2 Sekunden, bis es wieder auflegt und ein BUSY an den Rechner absetzt).

Das US Robotics Dual Standard ist nur zu empfehlen. Zwar ist der Preis von 2300 DM ziemlich hoch, aber es gibt ja auch abgespeckte Geräte, die (von 2400bps mal abgesehen) nur HST oder alle Stufen bis hin zu V.32bis (aber halt ohne HST) können - und die sind dann auch eine ganze Ecke günstiger zu haben. Modems der Firma US Robotics sind unheimlich bedienungsfreundlich und arbeiten sehr zuverlässig.

Preis: ca. 2300,- DM

Bezugsadresse:
Point Computer GmbH Gollierstr .70IC5 W-8000 München 2

Das USR-Modem stellt, neben der übersichtlichen Ausgabe der Konfiguration, eine Leitungsqualitäts-Analyse und eine Hilfsseite zur Verfügung.

LIGHTSPEED 9624CE

Das Lightspeed ist wieder ein Gerät, das eine maximale Übertragungsgeschwindigkeit von 9600 bps ermöglicht, und bietet, neben den MNP-Klassen 2 bis 5, eine Fehlerkorrektur nach V.42 und Datenkompression nach V.42bis. Es wird ebenfalls, wie seine Kollegen in der gleichen Leistungsklasse, im stabilen Metallgehäuse ausgeliefert und erwärmt sich nur geringfügig. Alle Bedienungselemente sind übersichtlich angeordnet, und wenn man noch statt eines Brüllwürfels einen vernünftigen Mini-Lautsprecher eingebaut hätte, wäre ein Freizeichen auf der Telefonleitung nicht allzu nervtötend (wohlgemerkt: nicht die Lautstärke, sondern der Klang ist gemeint).

Das Gerät arbeitete mit jedem anderen Modem anstandslos zusammen. Die Implementation der CCITT-Normen und MNP-Protokolle (siehe Kasten) ist, wie bei allen anderen der hier vorgestellten Geräte, gut gelungen; zumindest traten keine Kompatibilitätsprobleme auf. Die Erkennung des deutschen Besetztzeichens arbeitete einwandfrei, auch wenn es manchmal ein wenig länger dauerte. Die Art der Connect-Strings entspricht dem Standard, d.h. sie sind eindeutig.

Lightspeed hat seinem Gerät an der Vorderseite einen kleinen Kippschalter mit auf den Weg gegeben, der der Umschaltung zwischen Modem und Telefon (ohne die Gegenstelle neu anzuwählen) dienen soll (naja, und natürlich dient!).

Das Handbuch, das mit diesem Gerät geliefert wird, ist etwas kurz geraten. Dort ist zwar alles vollständig beschrieben, aber ein wenig mehr Ausführlichkeit wäre wünschenswert gewesen.

Das 9624CE hinterläßt einen zuverlässigen Eindruck. Der Preis von 1447,99 DM scheint angemessen, jedoch nur geringfügig günstiger als ein Gerät mit den gleichen Leistungsmerkmalen von GVC.

Preis: 1447,99 DM

Bezugsadresse:
Picto Computer Am Lavenstein 3 W-5100 Aachen

Die CCITT hat einige Normen der Datenübertragung verabschiedet, die alle eine Bezeichnung beginnend mit einem V. bekommen haben. Hier die wichtigsten:

V.21 300 Baud, duplex
V.22 1200 Baud, duplex
V.22bis 2400 Baud, duplex
V.23 BTX V.27ter FAX-Betrieb (ja, auch einige Modems können faxen...)
V.29 FAX-Betrieb
V.32 9600 bps, duplex
V.32bis 14400 bps, duplex
V.42 Fehlerkorrektur (besser als MNP 4)
V.42bis Datenkompression und auch Fehlerkorrektur(logisch) (besser als MNP 5, erkennt selbständig, ob es sich lohnt zu komprimieren)

MNP ist wieder etwas anderes: Ein Protokoll, das von einer Firma entwickelt wurde und schon vor V.42(bis) existierte. Deshalb haben nahezu alle Modems diese Art der Fehlerkorrektur und Datenkompression implementiert.

Man unterscheidet 5 Klassen (es gibt noch mehr, sind aber kaum vorzufinden), wobei bis Klasse 4 nur eine Fehlerkorrektur vorgenommen wird, ab Klasse 5 aber zusätzlich noch eine Datenkompression. Problematisch ist dies jedoch bei schon komprimierten Files (mit LHarc, ZIP, ZOO oder was-weiß-ich-nicht-alles behandelt), da MNP 5 trotzdem versucht, zu komprimieren. Das Ergebnis ist meist länger als die ursprüngliche Datei.

Hier einige Begriffserläuterungen:

Trellis: ein Modulationsverfahren, das bei allen Geschwindigkeiten über 4800bps angewendet wird.

MFV: Mehrfrequenzwahlverfahren. In einigen deutschen Städten möglich. Statt Impulse werden Töne gesendet, wobei jeder Ton für eine bestimmte Nummer steht.

bps: Bit pro Sekunde

cps: Zeichen (8 Bit) pro Sekunde

Baud: im Prinzip das gleiche wie bps

ZMODEM: ein Übertragungsprotokoll zur Übertragung von Dateien

X- und YMODEM: siehe ZMODEM

FIDO/FIDONET ein großes, privates Datennetz, in dem machmal das totale Chaos herrscht.

MAUS/MAUSNET: Ein weiteres privates Datennetz, jedoch viel kleiner als FIDO. Informationsgehalt ist ziemlich hoch.

Connect-Strings: Hat das Modem eine Verbindung hergestellt, gibt es eine Meldung von sich, welche Geschwindigkeit diese Verbindung hat und ggf. unter welcher Art der Fehlerkorrektur bzw. Datenkompression.

TORNADO 96V

Das Tornado-Modem ist das letzte Gerät im Bunde und hat den gleichen Leistungsumfang wie das hier vorgestellte GVC-Modem: Übertragungsgeschwindigkeit bis zu 9600 bps, Fehlerkorrektur nach MNP und V.42 und Datenkompression nach MNP-Klasse 5. Auch ist dieses Gerät in ein stabiles Metallgehäuse verpackt worden, wobei das Design ein wenig gewöhnungsbedürftig erscheint.

Beim Tornado wurde die Anzeige der Übertragungsgeschwindigkeit durch drei horizontal angeordnete LEDs gelöst, die, wie alle LEDs, vernünftig beschriftet worden sind.

Das Handbuch allerdings bewegt sich so ziemlich am Rande des Tolerierbaren. Nicht nur, daß es eher ein Handheft ist, nein, man bekommt auch noch um die zwanzig lose Blätter dazu, in einem Format, das irgendwo zwischen DIN A5 und DIN A6 liegt, und zu allem Überfluß unbrauchbar gelocht ist (auf denen im übrigen weder mehr noch Dinge ausführlicher als im Handheft stehen). Das nennt sich dann übrigens „Quick Reference Guide“. Für einen Einsteiger ist diese Art von Dokumentation einfach eine Frechheit.

Aber nach soviel Rüge ein bißchen Sonnenschein: Busy-Erkennung klappt, Connect-Strings gehen als okay durch, und die Zuverlässigkeit läßt auch nichts zu wünschen übrig. Eine weitere Verwandtheit zum GVC-Modem hat das Tornado im Lautsprecherknacken (aber viel lauter...), obwohl er eigentlich abgestellt war. Desweiteren, und das ist wieder tornadoeigen, ist der eingebaute Modemlautsprecher sehr laut - und ob man ihn über at10 bzw. at11 auf die minimale Lautstärke einstellt oder nicht, bleibt sich eigentlich gleich; er tut überlaut und dröhnend seine Anwesenheit kund. Zum Glück kann man ihn abstellen (aber man hat dann immer noch das penetrante Knacken bei einem Reset und beim Abheben).

Über die oben beschriebenen Mängel kann man, auch bei einem Preis von 1138,60 DM, nicht hinwegsehen. Wer mit einem zwar gut funktionierenden, aber schreienden und laut knackenden Modem leben kann - bitte. Mich nervt es auf die Dauer.

Preis: 1138,60 DM

Bezugsadresse:
Carl Schewe GmbH&Co Essener Straße 97 Gebäude 26 W-2000 Hamburg 62

Fazit

Mittlerweile ist die Technik der High-Speed-Modems anscheinend soweit ausgereift, daß es wohl nur noch ein paar wenige schwarze Schafe gibt, die nicht vernünftig mit anderen Modems Zusammenarbeiten. Grundsätzlich sind es nur Kleinigkeiten, die die Geräte einer Leistungsklasse voneinander unterscheiden -und natürlich der Preis. Einen recht guten Eindruck haben das Lightspeed- und GVC-Modem hinterlassen. Der absolute Favorit ist und bleibt jedoch das US Robotics Dual Standard: Es ist sehr angenehm zu bedienen und hat auch die meisten technischen Möglichkeiten zu bieten.

Nichtsdestotrotz bleibt Ihnen, liebe/r Leser/innen, die Auswahl überlassen - nicht nur eine Auswahl aus diesen fünf Modellen, sondern aus sehr vielen, die im Moment auf dem Markt angeboten werden. Wie heißt es doch so schön? Wer die Wahl hat, hat die Qual. Na, dann quälen Sie sich mal....


Robert Osten
Aus: ST-Computer 10 / 1991, Seite 52

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