Versetzen Sie sich einmal in die Lage einer kleinen Firma, die über Wochen hinweg viele Adressen gesammelt hat und nun abschließend die lange vorbereitete Werbeaktion startet. Endlich darf der Drucker seine verborgenen Talente ausspielen und Tag und Nacht tausende von Adressen drucken. Nun noch schnell die Etiketten auf die Faltprospekte aufkleben, eintüten und ab damit zur Post. Aufatmend legt man sich im Sessel zurück und harrt nun der Dinge, die da kommen. Einzig die gesalzene Postrechnung trübt die allgemeine Stimmung.
Nun versetzen Sie sich aber auch mal in die Lage unseres braven Mitbürgers Balduin Schmidt, der abends streßgeplagt nach Hause kommt und seinen Briefkasten ausleert. Sage und schreibe viermal der gleiche Werbeprospekt irgendeiner komischen Firma, die Produkte Für den AT ARI ST anbietet. "Wie sind die nur an meinen Namen gekommen?", denkt sich Herr Schmidt. "Und dann auch noch so falsch! Das lasse ich mir so nicht gefallen!" Grund des durchaus berechtigten Ärgers sind die verschiedenen Schreibweisen seines Namens (Herr Balduin Schmidt. Frau Schmidt Balduin. Herr Balduin Schmitt, Herr B. Schmid), die den Werbeprospekt zieren. Erbost greift Herr Schmidt zum Stift und schreibt einen Brief an die Firma, der sich gewaschen hat.
Nun versetzen wir uns bitte wieder (diesmal aber zum letzten Mal) in die Lage unserer kleinen Firma. Traurig liest man den Brief von Herrn Schmidt und weiß genau, daß man damit einen potentiellen Kunden verloren hat. Zudem dämmert es einem, daß Herr Schmidt bestimmt nicht ein Einzelfall gewesen ist und viele doppelte und dreifache Adressen in der Datenbank schlummern. Doch wie kann man diese Leichen entrümpeln und gleichzeitig noch viel Porto sparen? Gewußt wie, denn guter Rat ist gar nicht teuer.
MAIL Service ST/TT lag mir zum Test in der Version 1.7 vor und wird mit einem ca. 70 Seiten umfassenden Handbuch ausgeliefert. Die Diskette ist nicht kopiergeschützt, so daß MAIL Service problemlos auf Festplatte installiert werden kann. Vor dem eigentlichen Arbeiten muß allerdings erst ein Installationsprogramm aufgerufen werden, das Namen und Anschrift in das Programm schreibt und somit lizensiert.
Das Handbuch beschreibt detailliert und chronologisch die einzelnen Menüpunkte, so daß kaum eine Frage unbeantwortet bleibt. Ein eigener Abschnitt gibt sogar kleine Tips und Tricks zum Erstellen bequemer Massendrucksachen. Der Anhang geht zusätzlich sehr ausführlich auf die unterstützten Adreßdatenformate ein. Insgesamt kann das Handbuch als gelungen bezeichnet werden; vermißt habe ich lediglich eine kleine Einführung, die einem kurz und prägnant ohne komplettes Studium des Handbuchs die Leistungen von MAIL Service näherbringt. Schön und gut. werden Sie, geschätzte Leserinnen und Leser, jetzt sagen, aber jetzt mal zur Sache. vielleicht können wir auch mal ein paar nähere Informationen haben. Nun, nichts leichter als das.
MAIL Service besitzt einen eingebauten einfachen Texteditor, mit dem man Rundschreiben und Adreßdatenmengen erstellen und bearbeiten kann. Zum raschen Erfassen großer Datenmengen hilft eine Adreß-Steno-Syntax, mit der wiederkehrende Begriffe vereinfacht erfaßt werden können. Ferner liest MAIL Service Adreßdateien verschiedener Programme und wandelt und strukturiert diese um. So lassen sich bequem Serienbriefe erstellen und ausdrucken. Zusätzlich prüft Mail Service vorhandene Adreßdateien auf Doubletten und fehlerhafte Datenstrukturen. Schlußendlich sparen Sie viel Geld durch eine Porto-Optimierung bei Massendrucksachen. Als besonderes Bonbon wird MAIL Service voraussichtlich ab Januar 1993 ein weiteres Schmankerl bieten, mit dem die alten Postleitzahlen ab 01.07.1993 auf die neuen umgestellt werden können.
Herausragendste Funktion unter dem Menüpunkt DATEI (Bild 2) ist der eingebaute Texteditor namens ASSYS (Adressen-Steno-System), mit dem man einfache Texte im Insert-Modus schreiben kann. Die Zeilenlänge beträgt maximal 1000 Zeichen, die Anzahl der Zeilen hängt von der Speicherkapazizät des Rechners ab. Über die Tastenkombination CTRL-INSERT gelangt man in eine Dialogbox, die west- und ostdeutsche Postleitzahlen und Orte anzeigt. Klickt man einen Eintrag an, wird dieser an der aktuellen Cursor-Position in den Text eingefügt.
Zusätzlich bietet MAIL Service noch eine "Werkzeugkiste" für den Notfall an. So kann man hier auf die Schnelle Dateien kopieren, umbenennen, verschieben oder auch Disketten formatieren.
"Was is'n das?", werden Sie jetzt fragen. Ganz einfach: ein bidirektionaler Adreßdaten-Konvertierer. Dieses mächtige Werkzeug verändert und manipuliert ihre Adreßdateien nach Herzenslust. Nach Aufruf dieser Funktion erscheint eine Auswahl-Dialogbox (Bild 3), in der man das Format wählt, das die Adreßdatei momentan hat. Zur Zeit werden beispielsweise folgende Formate unterstützt: 1st_Adress, 1st_Base, Adimens EXP. Phoenix EXP, ST-Auftrag, DIF, SIF und viele mehr. Diese Liste wird vom Autor aber ständig erweitert. Beim Laden der Adreßdateien führt MAIL Service eine Syntaxkontrolle durch. Anschließend erscheint die eigentliche D-MOVER-Box. In dieser Dialogbox läßt sich dann die Struktur der Adreßdatei durch Verschieben oder Löschen alter, bzw. Hinzufügen neuer Felder verändern. Nach erfolgter Umstrukturierung kann die neue Datei gespeichert werden.
Im integrierten Texteditor von MAIL Service besteht die Möglichkeit, feststehende Begriffe durch eine Art von Schreibmaschinen-Steno abzukürzen. Falls Sie schon mal Adreßlisten abgetippt haben, ist Ihnen vielleicht aufgefallen. daß es einige typische Namen, Ortsbezeichnungen und sogar Silben gibt, die in Adressen ständig wieder auftauchen. Dafür kann man beim Abschreiben Kürzel einsetzen. Beispiel: §=bach oder #=burg oder A=berg. Selbstverständlich kann man diese Kürzel nach eigenem Geschmack verändern und umdefinieren. Nach Wahl des Menüeintrags ASS YS-Umformen erscheint eine Dialogbox, in der man die umzuformende Datei auswählt. Sodann durchlaufen die Adreßdaten eine Syntaxkontrolle. Anschließend werden die eingesetzten Kürzel gegen die Silben ausgetauscht. Diese Funktion arbeitet aber nur zufriedenstellend, wenn Kürzel nicht mit Adreßtexten kollidieren.
Nun will ich aber wieder auf das leidige Thema aus meiner Einleitung zurückkommen. Mit der Funktion DOUBLETTEN kann man die Adreßdatenbestände nach ähnlichen oderdoppelten Adressen durchforsten. Ähnliche Adressen sind leider oft nur in einem Buchstaben verschieden, doch normale Suchroutinen melden solche Adressen als unterschiedlich. In einer Dialogbox wählt man das Prüfprofil. So bestimmt man, wieviel gleiche oder ähnliche Felder und wieviel identische Buchstaben hintereinander in einem Feld mindestens erkannt werden müssen. Dabei kann man auch noch vorgeben, ob leere Datenfelder beachtet oder ignoriert werden sollen. Im eigentlichen Doubletten-Dialog (Bild 4) hat man anschließend die Möglichkeit. Datenfeldinhalte zu verändern oder doppelte Datensätze zu löschen.
Die Funktion PORTO ERMITTELN hilft Ihnen, Massendrucksachen zu erstellen. Dabei werden zuerst die in Frage kommenden Dateien analysiert, ob sie insgesamt tauglich sind für Massendrucksachen nach den neuesten Bestimmungen der Deutschen Bundespost, Stand 01.09.1989 nach Punkt 1.1 (= mindestens 1000 Drucksachen, von denen mindestens 10 denselben Leitbereich haben). Eine Dialogbox zeigt Ihnen dann das ermittelte Porto sowie die Einsparungen an. Ferner erstellt MAIL Service eine Liste der Leitbereiche bzw. der Massendrucksachen-Bunde für die Posteinlieferung. Optional wird auch eine Datei mit Vorbindezettel generiert.
MAIL Service bietet noch viele weitere Funktionen, auf die ich nicht in aller Ausführlichkeit eingehen kann. So findet sich auch eine Funktion für Serienbriefe, in der eine Adreßdatei mit einer Order-Datei gemixt wird. In der Order-Datei ist festgehalten, welche Datenfelder der Adreßdaten wo im Brief eingesetzt werden sollen. Falls Adreßdateien zu gewaltig werden, lassen sich die Datenbestände nach Postleitzonen aufteilen. Umgekehrt lassen sich auch einzelne Dateien wieder zusammenfügen. Ferner trennt MAIL Service Adreßdateien in Leitbereiche auf. Eine leistungsfähige Online-Hilfe rundet den Gesamteindruck des Programms ab.
MAIL Service ST/TT ist ein überaus mächtiges Hilfsinstrument für die Bearbeitung von Adreßdateien. Unter einer recht einfach gehaltenen Oberfläche verbirgt sich wahrlich ein Wolf im Schafspelz, weil viele der angebotenen Funktionen ihre Wirkung erst bei großen Datenmengen richtig entfalten und auch so erst richtig gewürdigt werden können. In einer weiteren Version sollen zukünftig große Dateien, die den ST-Speicher sprengen, über einen Pufferspeicher während der Arbeit auf Festplatte ausgelagert werden. In der derzeitigen Vollversion kostet MAIL Service DM 199,-, ein Demo inklusive Handbuch ist für DM 25,- erhältlich. Im Preis eingeschlossen ist ein kostenloses Update binnen 1 Monat nach Registrierung. In erster Linie wendet sich das Programm an Firmen oder Gewerbetreibende, die große Adreßdateien verwalten. Für den privaten Anwender wird das Programm dagegen weniger interessant sein. Angesichts der Möglichkeit, durch optimierten Versand viel Porto zu sparen, kann der Preis als angemessen bezeichnet und das Programm empfohlen werden.
Bezugsquelle:
Darksoft Systems Lötungen Ulf Dunkel Alter Postweg 6 W-4573 Löningen
Positiv:
mächtiges Hilfsinstrument
angemessener Preis
sauberes GEM-Programm
ständige Weiterentwicklungen
Negativ:
eingeschränkte Verwendbarkeit
Postleitzahlen-Wandler gegen Aufpreis