ATARI-Software im Wandel der Zeit: TOS2WIN 2.0

Auch in diesem Monat gibt es wieder Neues von der Front der ATARI-Emulatoren zu berichten. Ein Kandidat der ersten Stunde steht hier nun auf dem Prüfstand: TOS2WIN 2.0.

Einige Leser nehmen Anstoß daran, dass wir hin und wieder auch ATARI-Emulatoren, die faktisch PC- Software sind, vorstellen. Tatsache ist aber, dass wir uns darüber freuen sollten, dass ATARI-Software durch diese Emulatoren gewissermaßen zur Multiplattform-Software wird, denn heute spielt es keine Rolle mehr, ob Sie einen echten ST, einen PC oder einen Mac auf dem Tisch stehen haben. Auf Calamus SL, Idealist oder papyrus brauchen Sie nicht zu verzichten.

Das Produkt

TOS2WIN gehört zu den Veteranen unter den kommerziellen ATARI-Emulatoren. Mitte 1996 erschien die Version 1, die bereits vielfach verkauft wurde. Doch die Entwicklung stand nicht still, und neben diversen kostenlosen Zwischenupdates erschien kürzlich auch die neue Version 2.0.

Vergleicht man TOS2WIN mit konkurrierenden Produkten wie z.B. dem STemulator oder Gemulator, so kann man deutlich sehen, dass das Produkt der Firma aixit eigene Wege geht. Um es kurz zu sagen: TOS2WIN erhebt nicht den Anspruch, einen ST zu emulieren. Es will vielmehr dafür sorgen, dass ATARI-Software unter den Vorzügen und Leistungsmerkmalen moderner PC-Betriebssysteme anstandslos und zeitgemäß ihren Dienst verrichtet.

Größtes Indiz hierfür ist wohl die Tatsache, dass TOS2WIN über keinen ATARI-Desktop verfügt. Nach dem Starten des Emulators kann der Anwender bestimmen, welches ATARI-Programm er starten möchte und unter weichen Bedingungen (Auflösung, Farbtiefe usw.) dieses anschließend betrieben werden soll. Programmiert wurde getreu dem Motto: Wozu benötigt man einen zweiten Desktop auf dem Windows-Desktop?

Unter dem Gesichtspunkt, dass TOS2WIN o.g. Ziele verfolgt, ist die angestrebte Kundenklientel nicht schwer zu erraten: der anspruchsvolle User, der nicht an Spielen, sondern an dem Betrieb von Anwendersoftware interessiert ist und diese mit der größtmöglichen Performance betreiben möchte. Hierzu gehören Calamus-Anwender ebenso wie Programmierer usw.

Welche Neuerungen bringt das Update?

Nachdem die kostenlosen Zwischenupdates in der Vergangenheit schon tolle Neuerungen wie z. B. die Calamus-Kompatibilität beinhalteten, sollte man davon ausgehen können, dass das erste kostenpflichtige Update dementsprechend umfangreich ausfallen wird.

Um es vorweg zu nehmen:
Die meisten Neuerungen stecken im Detail bzw. im System, so dass sich an der Oberfläche von TOS2WIN nicht viel geändert hat. Die Programmierleistung wird also insbesondere beim täglichen Arbeiten mit dem Emulator sicht- und spürbar.

Einer der wesentlichen Unterschiede gegenüber der letzten Version 1.19 ist, dass der daq-Modus (dirty and quick) jetzt direkt auf den sw-Bildschirm schreibt und aufgrund dessen nicht mehr an die Größe 640x400 Pixel gebunden ist. Damit ist also jede Bildschirmauflösung des PC auch in diesem Modus realisierbar, wobei programmiertechnisch gesehen so sehr daran gefeilt wurde, dass die Geschwindigkeit nahezu ebenso hoch ist wie die des TOS2WIN-eigenen VDI.

Aufgrund der Anfragen vieler Kunden, die aus dem professionellen Bereich stammen, wurde TOS2WIN nun auch im ATARI-Modus netzwerkfähig gemacht. D.h., dass der Emulator nun das eigens von ATARI vorgesehene und von einigen Datenbankprogrammen unterstützte Netzwerkprotokoll unterstützt. In der Praxis sieht es so aus, dass mehrere miteinander vernetzte PCs, die TOS2WIN laufen haben, auch unter der ATARI-Software ein Filesharing betreiben und auf eine gemeinsame Database zugreifen können. Ein bereits erprobtes und praxisbewährtes Einsatzgebiet ist die Verwendung einer Fakturierungssoftware, bei dem das Personal von mehreren Arbeitsplätzen aus Rechnungen schreiben kann, die in einem Datenkern erfaßt werden.

Für Insider interessant ist sicherlich auch die Möglichkeit, mittels einer Softwareschnittstelle zwischen dem ATARI- und dem Pentium-Code umschalten zu können. Bei besonders rechenintensiven Aufgaben z.B. könnte ATARI-Software so verändert werden, dass sie die Rechenaufgaben nicht durch die Emulation, sondern durch den Pentium direkt erledigen lässt, der die Daten dann wieder zurück an den Emulator gibt. Das spart immens viel Zeit. Eines der ersten Produkte, das hierfür angepaßt wurde, ist der Calamus-TIFF-Treiber, der aus diesem Grunde beim Belichten von Daten in der Praxis eine Geschwindigkeitssteigerung von 800 - 1000 Prozent erreicht und nun auch gut dem PowerMac mit MagiCMac das Wasser reichen kann.

Wenn wir schon einmal bei dem Thema Calamus sind, sollte nicht unerwähnt bleiben, dass auch in Bezug auf diese DTP-Software eine Menge getan wurde. Calamus SL läuft nun in allen Farbtiefen und Auflösungen fehlerfrei und perfekt und in immens hoher Geschwindigkeit, da es nun direkten Zugriff auf das Videoram hat. Das bedeutet wiederum, dass TOS2WIN auch für DTP-Freunde nun eine echte Konkurrenz zur Lösung „PowerMac mit Emulation“ darstellt.

Ferner wurde einige Verbesserungen in Bezug auf die Kompatibilität vorgenommen, so dass nun beispielsweise auch das Programmieren und GFA ohne jegliche Einschränkungen realisiert werden kann. Weitere systeminterne Punkte hier aufzuzählen, würde sicherlich zu sehr ins Detail gehen.

Die Zukunft

Auch in Zukunft soll es wieder kostenlose Updates von TOS2WIN geben. Diese heißen dann Service- Packs und können entweder direkt beim Produzenten oder auch via Internet abgerufen werden.

Uns wurde mitgeteilt, dass u.a. folgende Neuerungen für die nahe Zukunft geplant sind:

Welcher dieser Punkte nun in welchem der Service-Packs enthalten sein wird, stand bei Redaktionsschluss leider noch nicht fest.

Fazit

Die Richtung, die seitens aixit mit TOS2WIN eingeschlagen wird, ist ganz klar zu erkennen: Der Markt der anspruchsvollen bis hin zu professionellen ATARI-Software-User soll mit TOS2WIN abgedeckt werden. Und tatsächlich dürfte das mit diesem Produkt nun gelingen, denn einmal davon abgesehen, dass das Programm unge mein kompatibel ist, ist TOS2WIN in der Version 2.0 der mit Abstand schnellste Emulator für ATARI-Programme.

Dies mag beim Einsatz im low-level-Bereich, d.h. also für Personen, die nur Texteditoren, Kopierprogramme usw. einsetzen, nicht direkt auffallen, aber spätestens dann, wenn man rechenintensive Aufgaben an den Rechner stellt, bemerkt man das Tempo der Emulation.

Zwar hat die hier vorgestellte Version zumindest optisch keine bahnbrechenden Neuerungen erlebt, aber hier sollte man den Erwerb dieses Updates als Freifahrtschein für künftige kostenlose Versionen betrachten, die, wie wir gesehen haben, erhebliche Neuerungen bieten können.

Wer einen reinen, alten ATARI-ST mit all seinen Stärken und Schwächen auf seinem PC laufen lassen möchte und beim Spielen alter Klassiker bzw. dem Starten des ATARI-Desktop nostalgische Gefühle wecken will, ist mit TOS2WIN (noch) nicht unbedingt gut beraten, zumal die alte ST-Auflösung 320x200 bei 16 Farben z.B. gar nicht zur Verfügung gestellt wird.

Wer aber ATARI-Anwender-Software mit der für heutige Zeiten angemessenen Geschwindigkeit und dem Komfort der ausklingenden 90er Jahre auf einer neuen Plattform betreiben will, kommt an dem Emulator aus Aachen kaum vorbei. So gesehen ist das Preis-/Leistungsverhältnis gegenüber den Mitstreitern als gut zu betrachten, ist man doch mit dieser Lösung noch immer gut 33% günstiger dran, als beim teuersten Emulatoren-Anbieter.

Last but not least ist eine weitere Tendenz nicht zu verkennen: der Musikermarkt. Sollte es den Entwicklern tatsächlich gelingen, den ROM-Port-Dongle bekannter Musik-Software- Hersteller zu emulieren, dürften sich hier ganz neue und große Märkte eröffnen. Auch diese Entwicklung werden wir mit Spannung verfolgen.

Red.

Preis: 199 DM
Update: 99 DM
Internet: http://www.aixit.com

P.S.
Über das Internet-Angebot können Sie auch direkt eine Demo-Version von TOS2WIN in der aktuellen Version beziehen, um das Programm ausführlich testen zu können.


Red.
Aus: ST-Computer 01 / 1998, Seite 22

Links

Copyright-Bestimmungen: siehe Über diese Seite