Der Atari als Kommunikationsgenie (2)

Der zweite Teil unserer Softwareübersicht. In der vergangenen Ausgabe stellten wir Ihnen das Allroundtalent "CoMa" vor. Lesen Sie nun alles zu den aktuell gepflegten Mitstreitern StarCall und TeleOffice.

Nicht nur CoMa geht mit seinen Fähigkeiten weit über die eines normalen Faxgerätes oder herkömmlicher Faxsoftware hinaus, auch STarCall hat sich mittlerweile zur Multi-Kommunikationssoftware gemausert. In seinem Leistungsumfang ist es durchaus mit der aktuellen CoMa-Version vergleichbar, und so wollen wir die Eigenheiten und Vorzüge dieser Lösung nochmals vergleichend betrachten.

STarCall

Bei STarCall handelt es sich um ein integriertes Software-Paket, das aus mehreren Teilen besteht:

Auf Datenreise mit STarCall

Das Programmpaket wird mittels (etwas angestaubt wirkendem) Installer auf die gewünschte Partition der Festplatte kopiert. Nach dem Programmstart öffnet STarCall einen eigenen Desktop (siehe Abb. 5), auf dem verschiedene Icons für die wichtigsten Programmfunktionen und -module bereit liegen. Wer jedoch lieber seine gewohnte Umgebung weiter benutzen möchte, kann diese Oberfläche auch abschalten.

Beschäftigt man sich allerdings mit dem Desktop etwas genauer, merkt man schnell, dass er die tägliche Arbeit mit dem Gesamtprogramm sehr erleichtert. Die Bedienung ist dabei denkbar einfach: Klickt man z.B. auf das Telefon-Icon, so öffnet sich eine Nummernverwaltung, aus der heraus man eine Anwahl vornehmen kann. Ein Mausklick auf das Schreibmaschinen-Symbol öffnet einen eigenen Editor, schiebt man die Schreibmaschine auf das Mülleimer-Symbol, wir der aktuelle Text darin gelöscht. Nahezu das gesamte Programm ist somit per Mausklick bzw. Drag & Drop zu bedienen. Sehr praktisch ist unter MultitaskingSystemen sicherlich auch, dass evtl. geöffnete und iconifizierte Fenster der eigenen Arbeitsumgebung auch auf den STarCallDesktop übernommen werden. Ein Klick auf ein Fenster genügt, um in die dazugehörige Applikation zu wechseln. Eine eventuell installierte Task-Leiste wird übrigens genauso wie ein Start-Button übernommen.

Nach dem Start befindet sich derAnwender im Terminalmodus von STarCall. Von hier aus kann er mit seinem Modem also auf Datenreise in andere Mailboxsysteme gehen.

Die schon erwähnte Nummernverwaltung gestaltet sich dabei äußerst komfortabel. Bedingt durch das Grundkonzept der Gesamtsoftware werden hier nicht nur Mailbox, sondern auch Fax- und Voicenummern gespeichert, hinzu kommen Einträge für zusätzliche Teilnehmer-Infos usw. Im Gegensatz zu CoMa lassen sich hier zwar keine Gruppen zuordnen, dafür kann nach verschiedenen Sortierarten geordnet werden. Ein Doppelklick auf einen Eintrag genügt, um die automatische Anwahl zu starten. Die eingetragenen Nummern lassen sich auch auf die Funktionstasten legen, um eine Einwahl auch per Tastendruck zu ermöglichen. Alle derzeit gängigen Tenninal Emulationen werden für eine Darstellung unterstützt, so z.B. TTY, ANSI, VT 220 oder auch VT 200. Eher ungewöhnlich ist die Tektronix-Emulation, die jedoch von einigen Hochschulen unterstützt wird, wobei hier z.B. Vektorgrafken übertragen und direkt dargestellt werden können.

Alle Textausgaben werden in einem Terminalfenster dargestellt, unter TOS kann man auch wahlweise den gesamten Screen ohne Menüs etc. benutzen. Die Größe des Terminalfensters ist einstellbar, einzelne Teile der Darstellung können mit der Maus ausgeschnitten werden. Als Zeichensatz kann jeder installierte Font gewählt werden.

Der Funktionsumfang des Terminals ist so groß, dass auch Anwender, die täglich damit arbeiten, erst Stück für Stück hinter alle Features kommen werden. Besonders herauszustellen ist hierbei aber sicher die Chatfunktion, die übersichtliches Online-Chatten mit dem Gegenüber ermöglicht. Der Bildschirm teilt sich dabei in zwei Bereiche, einen für Ihre Eingaben und einen für die des Gesprächspartners.

Die gesamte Online-Sitzung kann in einem Puffer zwischengespeichert werden, so dass man später noch einmal die Konversation durchgehen und vielleicht noch einmal per eMail darauf eingehen kann. Komplettiert werden diese Leistungen durch die üblichen Funktionen für Senden und Empfangen von Dateien und ASCII-Texten. Letztere können per Clipboard auch direkt aus dem internen Texteditor übernommen werden.

Nie mehr einen Anruf verpassen - Der Telefonknecht

Zweiter großer Bereich von STarCall ist der integrierte Anrufbeantworter für Zyxel-kompatible Modems mit Voiceteil (wie z.B. Elsa, Creatix,1 & 1, usw.). Hier gilt dasselbe hardwarebedingte Problem, das auch schon unter CoMa unausweichlich war: Die Schnittstellengeschwindigkeit muss für einen Betrieb mindestens 38 400 Baud betragen, STs müssen daher nachgerüstet werden. Ansagetexte können über das interne Mikro des Modems oder die Telefonleitung aufgenommen werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, eine Schlußansage (z.B. "Vielen Dank für Ihren Anruf') und eine Break-Ansage (z.B. "Sie haben die Mindestaufnahmezeit überschritten") aufzuzeichnen. Eingehende Anrufe können automatisch angenommen werden und werden nach Voice; , Fax- oder Datenanrufunterschieden. Zusätzlich kann noch ein PIN-Code für eine mögliche Fernabfrage angegeben werden. Wird dieser bei einem Anruf erkannt, spielt STarCall die eingegangenen Nachrichten ab.

Der elektronische Postkasten STarBox & StarPoint

Wer nicht nur als Online-Reisender aktiv sein will, sondern auch selbst Datenanbieter werden möchte, erhält mit der STarBox ein umfangreiches Mailboxmodul zu STarCall.Handelt es sich bei CoMas Mini-Mailbox um eine Lösung für den einfachen Gebrauch, so kann es STarBox mit professionellen Boxprogrammen durchaus aufnehmen. Anrufer müssen sich hier nicht etwa wie bei CoMa mit einer kryptischen Kommandosprache anfreunden, sondern bekommen ein überschaubares Menü präsentiert, das sich komplett mit Tastaturkürzeln bedienen lässt (siehe Abbildung 6). Mit der Eingabe eines markierten Buchstabens kann man z.B. das persönliche Postfach erreichen. Das Aussehen der Menüführung lässt sich vom Systembetreiber nach eigenem Geschmack gestalten.

Die Konfguration und Verwaltung der eigenen Mailbox wird über das Modul STarPoint vorgenommen, was man am einfachsten als grafische Benutzeroberfläche für STarBox beschreiben könnte.
Nach dem Start von STarPoint müssen zuerst einmal einige Angaben zur geplanten Box eingegeben werden, was schon einige Beschäftigung mit der Materie voraussetzt. Hat man diese Hürde aber erst einmal genommen, erweist sich die Arbeit mit STarPoint als sehr übersichtlich und anschaulich. Angelegte Bretter oder Diskussionsgruppen werden jeweils als Icons dargestellt. Ein Doppelklick auf ein solches Icon öffnet eine Verzeichnisliste der in dem jeweiligen Brett enthaltenen Meldungen oder Dateien. Mit Hilfe des bereits erwähnten integrierten Editors können eingegangene Mails beantwortet oder eine komplett neue Mail z.B. an einen eingetragenen User geschrieben werden. Wem der interne Editor nicht gefällt, kann übrigens auch einen externen (wie qed oder Jane) auswählen.
Innerhalb der STarBox können Sie unbegrenzt viele User verwalten und diesen unterschiedliche Zugriffsrechte für Senden und Abrufen zuweisen. Jeder eingetragene User erhält hierzu einen Status zwischen 0 und 9 und bekommt ein eigenes Passwort
bzw. einen Usernamen zugewiesen. Sein eigenes Postfach kann somit auch nur von ihm eingesehen werden. Sie können STarBox allerdings alternativ auch nur für sich selbst als komfortables JanusPointprogramm verwenden, in dem Sie dann praktisch wie in einer Ein-Mann-Mailbox agieren. Möglich wird dieses dadurch, dass STarBox auch mit anderen Mailboxsystemen Daten austauschen kann. Auf diese Weise können Sie Ihre eigene Box auch in einen Netzwerkverbund integrieren, was Ihr Informationsangebot nochmals um ein Vielfaches attraktiver werden lässt. Als Protokoll-Software wird dabei das GSZRZ-Modul von Michael Ziegler vorausgesetzt, von dem allerdings eine funktionsfähige Sharewareversion bereits beiliegt.

Innerhalb eines Multitasking-Systems arbeitet STarBox parallel zu den laufenden Applikationen. Die eigene Arbeit am Rechner muss also nicht unterbrochen werden, wenn sich ein User in die Box eingeloggt hat. Hat man mehrere serielle Schnittstellen zur Verfügung (z.B. am MegaSTE oder TT), ist sogar ein Parallelbetrieb mehrerer Boxen möglich. Leider kann STarBox nur eine Schnittstelle auf einmal ansprechen, weshalb ein Anrufer in der Box stets sehr einsam bleiben muss und außer mit dem Sysop nur mit sich selbst chatten kann. Eine Mailbox-Software, die ähnlich "Prometheus" auf dem Amiga mehrere Ports gleichzeitig bedienen kann, ist mir allerdings auf dem ATARI auch nicht bekannt. STarBox hätte also in einer zukünftigen Version durchaus die Chance, Neuland zu betreten. Schaut man sich die üppige Bestückung des ATARI TT mit seriellen Ports an, würde dieses durchaus Sinn machen.

Fix as Fax can be

Um seinen Leistungsumfang zu komplettieren, bietet auch das STarCall-Paket einen Faxmodus in Form des Moduls STarFax. Auch dieses ist direkt von dem STarCall-eigenem Desktop aufrufbar und kann separat nachgestartet werden.

Das Erstellen von eigenen Faxmitteilungen erledigen Sie in einem externen ASCII Editor, einer Textverarbeitung oder einem Grafikprogramm. STarFax unterstützt dabei das bekannte QFAX-Format, so dass für viele Anwenderprogramme (z.B. Calamus, papyrus) bereits fertige Faxtreiber zum direkten Faxen ohne Umwege zur Verfügung stehen. Ansonsten liegen dem Programmpaket Konvertierprogramme für ASCII- oder Grafikdateien bei, die auch eventuelle Schriftattribute übernehmen.

Jedem Fax kann ein Deckblatt vorangestellt werden, die Anwahl wird wie schon beim Terminal komfortabel aus der Nummernverwaltung heraus vorgenommen. Für Kurzmitteilungen wäre es für eine zukünftige Version vielleicht interessant, wenn man diese mit dem internen Editor schnell und einfach editieren könnte, wobei wie bei CoMa Footer und Header frei bestimmbar sein sollten. Allerdings ist relativ schnelles Erarbeiten eines Fax auch mit "Viewfax" möglich, das weiter unten noch beschrieben wird.

Das Empfangen von Faxen kann innerhalb von STarCall erledigt werden, was den Vorteil hat, dass hier zwischen Fax-, Voice- und Datenanruf automatisch unterschieden wird. Alternativ kann STarFax auch als ACC angemeldet werden, was den Betrieb unter Single-TOS und/oder bei wenig RAM-Speicher zulässt. Logischerweise können dann aber keine Modem- oder Voiceanrufe angenommen werden. Eingegangene Faxe können mit dem Programm-Modul "Viewfax" betrachtet werden, das ebenfalls ein eigenes, komfortables Arbeitsfenster zur Verfügung stellt. Ein empfangenes Fax kann hier nicht nur dargestellt, sondern auch über eine Werkzeugleiste, wie man sie sonst nur von Grafikprogrammen kennt, editiert und beantwortet werden (siehe Abbildung 7).
Natürlich kann ein Fax auch ausgedruckt werden, wobei eigene wie auch GDOS-Treiber Unterstützung finden.

Erweiterte Anwendungen für Profis

Während bei CoMa erweiterte Anwendungen wie z.B. Fax-On-Demand fest ins Programmkonzept mit eingearbeitet und somit über eine grafische Benutzeroberfläche konfigurierbar sind, muss man diese STarCall erst "beibringen". Hierfür bietet das Programm eine eigene, BASIC-ähnliche Programmiersprache, die auf die verschiedenen Module anwendbar ist. Mit den selbsterstellten Programmen können viele Aktionen, wie z.B. das Einloggen in eine andere Mailbox, weitestgehend automatisiert werden.
Die Anwendungen, die sich aus diesem Konzept ergeben, sind zwar nicht unbedingt für jedermann interessant, bergen aber ungeahnte Möglichkeiten: Wer z.B. eine eigene Mailbox mit STarCall betreibt, kann auf diesem Wege einen automatischen und unbeaufsichtigten Nachrichtenaustausch zu festen Zeiten realisieren. Innerhalb des Faxmoduls können verschiedene Fax-Jobs selbständig ausgeführt werden, mit dem Voice-Modul ließe sich ein Voice-On-Demand-System umsetzen.
Die Möglichkeiten sind hier schier unbegrenzt, jedoch steigt die Komplexität des Programmcodes wie bei jeder Programmiersprache auch mit dem Aufwand des zu erstellenden Programmes. Finden Programmierer in STarCall ihr Mekka, werden weniger ambitionierte User die gebotenen Möglichkeiten eher ungenutzt lassen. Jedem das Seine eben.

Der direkte Vergleich zu CoMa im persönlichen Fazit

Im Gegensatz zu CoMa konzentriert sich das STarCall-Paket meiner Ansicht nach in erster Linie auf seine DFÜ Funktionen. Fax- und Voiceteil sind im gewissen Rahmen praktisch eine Zugabe, die den Leistungsumfang abrunden.
Das Terminal und die STarbox lassen so auch kaum Wünsche offen. Besonders die Mailbox lädt mit ihrer einfachen Benutzerführung geradezu zum Einrichten eines eigenen Systems ein. Bei CoMa scheint man genau den umgekehrten Ansatz gewählt zu haben. Hier stehen die mächtigen Fax- und Voicefunktionen im Vordergrund, die in STarCall erheblich umständlicher oder gar nicht zu realisieren sind. Trotzdem bieten auch die STarCall-Module einiges an Komfort, der für die meisten User durchaus ausreichend sein kann.
Nicht verschwiegen werden darf jedoch, dass uns das Programm beim Aufruf des Faxmoduls unter MagiC 5.1 mehrmals ins "Nirvana absegelte", da angeblich ein Speicherblock zerstört wurde, was aber auch an anderen "amoklaufenden" Applikationen gelegen haben kann.
Das Bedienungskonzept ist sicher um einiges komfortabler und vor allem optisch ansprechender als das von CoMa anzusehen, setzt aber auch einiges an Einarbeitung voraus. Die Unterteilung in verschiedene Programmodule schont Speicher, mag für Neueinsteiger aber auf den ersten Blick auch etwas verwirrend wirken. Hat man sich jedoch erst einmal eingearbeitet, mag man die vielfältigen Möglichkeiten des Pakets nicht mehr missen.
Positiv ist in diesem Zusammenhang anzumerken, dass STarCall im Gegensatz zu CoMa eine äußerst umfangreiche Online-Hilfe im ST-Guide-Format beiliegt. Ein weiterer Pluspunkt für STarCall ist außerdem die integrierte Gebührenverwaltung, die die zwangsläufig entstehenden Verbindungskosten besonders für Privatanwender überschaubar hält. Hier sollte CoMa schnellstens nachziehen.
Wer also in erster Linie an einer überdurchschnittlich umfangreichen und ebenso guten Terminal- und Mailboxsoftware interessiert ist, sein Modem aber gleichzeitig auch zum normalen Faxen oder als einfachen Anrufbeantworter nutzen möchte, der sollte sich STarCall auf jeden Fall genauer ansehen.

Preise:
STarCall wird sowohl als Shareware als auch im ATARI-Fachhandel vertrieben. Die Preise staffeln sich ähnlich wie bei CoMa nach der Ausbaustufe:

Bezugsquelle:
InLi Software
Ingo Linkweiler
Marktstraße 48
45711 Datteln
http://www.ob.rhein-ruhr.de/infinity

Literaturhinweis:
Sternenklare Datenübertragung (ST-Computer/ATARI-Inside 05/97, Seite 16)

Lesen Sie in der kommenden Ausgabe über den aktuellen Stand und die Zukunft des beliebten Fax-Programmes Tele-Office.


Thomas Raukamp
Aus: ST-Computer 09 / 1998, Seite 16

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