Superfly: Neue Action auf dem ST, TT & Falcon.

«Endlich!», könnte man sagen. Ein halbes Jahr seit dem letzten Release der Reservoir Cods, dem Puzzlespiel-Knaller Codpey, haben die Jungs aus England das nächste Spiel nachgeschoben, pünktlich zu Weihnachten. Die Gerüchtemaschinerie lief dabei über die letzten Monate auf Hochtouren, sodass der Release natürlich sehnlichst erwartet wurde.

Kommerzielle Spieleproduzenten haben sich längst vom Atari zurückgezogen, die Reservoir Gods produzieren mit ungebrochener Begeisterung weiter. Wer einfach nicht genug bekommen kann von Superfly, der findet auf der Webseite der Gods eine spezielle Weihnachtsausgabe des Spiels, die weitere verspielte Stunden garantiert. Viel Spaß!

Superfly ist ein reinrassiges Actionspiel für Joystick-Freunde mit sehr guten Reflexen und - etwas ungewöhnlich für Reservoir Gods Spiele - für nur einen Spieler ausgelegt, der allerdings genug gefordert werden dürfte. Doch dazu später mehr...

Auf der dazugehörigen Homepage finden sich im übrigen zwei Versionen zum Download, eine für Ataris mit nur einem 1 MByte RAM und Diskbetrieb und eine für alle anderen. Alle anderen? Ja, Superfly läuft auf jedem ST, Falcon oder TT, benötigt mindestens 1 MByte RAM sowie einen RGB- oder VGA-Monitor. Beide Spiel-Versionen lassen sich von der Webseite Reservoir Gods [1] herunterladen.

Los geht's

Das Spiel ist schnell gestartet und das Spielprinzip schnell erklärt. Es handelt sich um ein horizontal scrollendes Spiel, in dem ein Vehikel durch eine Landschaft gesteuert werden muss, ohne die Hindernisse oder Begrenzung der Spielfläche zu berühren. Dies führt unweigerlich zum Verlust eines Bildschirm-Lebens.

Das Problem hierbei ist, dass es nur eine Möglichkeit zur Steuerung gibt. Wird Gas gegeben (per Tastendruck oder Feuerknopf), steigt das Vehikel auf dem Screen, lässt man den Feuerknopf los, sinkt es. Manchem ist diese Art der Steuerung sicher von einigen Gravitations-Spielen wie Utopos oder auch Killing Impact bekannt. Jedenfalls scrollt das Spiel dabei unaufhörlich, und das auch noch mit einer fast schon ungeheuren Geschwindigkeit. Somit sind in dem Spiel Leute mit schnellen Reaktionen gefragt.

Spielmodi

Superfly bietet dabei verschiedene Spielmodi: fünf um genau zu sein. Zuerst den Freeflight-Modus. Hier gilt es so weit wie möglich zu fliegen. Als nächstes gibt es Starsearch, und dabei gilt es, neben dem unbeschadeten Durchqueren der Landschaft auch noch kleine goldene Sterne einzusammeln. Dabei wird immer vorgegeben, wieviele Sterne eingesammelt werden müssen, um zur nächsten Stage zu gelangen.

Die anderen Spielmodi sind Stage, in dem eine gewisse vorgegebene Streckenlänge zurück gelegt werden muss, Hunter, in dem soviele Sterne wie möglich gesammelt werden müssen sowie Story. In diesem Spielmodus sind verschiedene bekannte Spielmodi in eine begleitende Rahmenhandlung eingefügt, und es gilt verschiedene Spielabschnitte zu schaffen, um den Fortgang der Story zu erfahren. Diese Story handelt von Dr. Snuggles, der sich auf die Suche nach seiner verschwundenen Freundin Kylie begibt.

Die ersten vier Spielmodi bieten dazu auch noch jeweils fünf Welten an. In diesen Welten wechselt auch das komplette Design. Die erste Welt spielt unterWasser, und das eigene Fahrzeug ist ein U-Boot, in der zweiten Welt wird ein Hubschrauber gesteuert, und es gilt den Wolken auszuweichen, während in der dritten Welt widerum ein Raumschiff durch die dunklen Weiten des Weltalls gesteuert werden muss.

Allerdings kann nicht von vornherein jeder Spielmodus gespielt werden. Wie bei keinem Spiel zuvor, arbeiten die Reservoir Gods hier mit ihrem Erfahrungspunkte-System, welches in ähnlicher Form schon in Godpey zur Anwendung kam. Dies soll heißen, dass in jedem Spielmodus Erfahrungspunkte gesammelt werden können und müssen. Je mehr Sterne gesammelt werden, je weiter geflogen wird, und je höher die Stage ist, die erreicht wird, je mehr Erfahrungspunkte werden dabei gesammelt. Dabei potenziert sich die Zahl der Erfahrungspunkte enorm. Wenn es dem Anwender nicht gelingt, sonderlich weit zu fliegen, ist die Belohnung mit Erfahrungspunkten auch sehr gering. Dies ändert sich erst mit der zurückgelegten Distanz beziehungsweise der Zahl der gesammelten Sterne.

Die Erfahrung macht's

Ist eine gewisse Anzahl von Erfahrungspunkten erreicht, wird ein neuer Teil des Spiels freigeschaltet. So startet das Spiel nur mit der Freeflight-Option. Sind 500 Erfahrungspunkte erreicht, geht es mit dem „Starsearch" Modus weiter, und um beispielsweise die zweite Welt für alle Spielstufen freizuschalten sind sagenhafte 20.000 Punkte notwendig.

Dieses Erfahrungspunkte-System beschränkt sich jedoch nicht nur auf die verschiedenen Spielstufen, sondern ermöglicht auch das Freischalten der Jukebox mit allen Soundtracks aus dem Spiel sowie der Credits.

Ein weiteres Bonus-System verbirgt sich hinter der Galerie. Wenn alle zehn Plätze einer Highscore (und es gibt für jeden Spielmodus und jede Spielwelt eine eigene) mit dem eigenen Namen besetzt sind, wird in der Galerie ein Bild frei geschaltet. Dabei handelt es sich um nicht verwendete Skizzen zum Spiel oder aber Bilder aus dem Spiel selbst. Sind alle Bilder freigeschaltet, gibt es eine Belohnung in Form einer mysteriösen „Another Day"-Option, hinter der sich sicherlich ein weiterer Spielabschnitt verbirgt. Bis dorthin sind allerdings viele Stunden zu spielen und viele Nerven zu verlieren.

Technik

Kommen wir zur technischen Seite des Spieles. Positiv zu bewerten ist die breite Palette an unterstützter Hardware. Die grafische Gestaltung der Menüs ist gewohnt abstrakt und eher durchschnittlich, ebenso die Grafik im Spiel. Während das eigene Vehikel und die Sterne hübsch animiert und gepixelt sind, macht sich doch ansonsten nur gähnende Leere breit. Die Levelgestaltung ist mehr als grobkörnig geraten, und die Hindernisse erscheinen als unförmige Blöcke auf dem Spielfeld. Dies wurde sicherlich gewählt, um die ungeheure Geschwindigkeit von 60 fps zu erreichen, bietet dafür aber nichts für das Auge. Einzige Ausnahme bildet hier der Story-Modus, welcher eine mit netten Grafiken ausgeschmückte Geschichte erzählt.

Soundtechnisch gibt es eine ganze Palette von schönen Chipmusiken im gewohnten Sidsound Designer-Stil. Allerdings fehlen dafür Soundeffekte vollständig. Dies stellt in soweit ein Problem dar, dass Spieler, die ihre Probleme im Weiterkommen haben, immer nur die ersten Klänge der jeweiligen Leveimusik zu Gehör bekommen, was sich auf Dauer als äußerst nervend herausstellt. Stellt der Anwender die Musik ab, gibt es keinen Ton aus den Lautsprechern, was dann wieder ermüdend wirken kann.

Die Steuerung ist sehr gut gelöst und unterstützt jegliches Eingabemedium von der Tastatur bis zum Jaguarpad. Da es sich im Prinzip sowieso nur um eine Taste handelt, die gedrückt werden muss, ist es faktisch egal, auf welches Gerät die Wahl fällt.

Das Spiel bietet weiterhin eine ganze Reihe, von Spielen der Reservoir Gods auch gewohnte, Features. Abgesehen von der speicherbaren Highscore-Liste, die auch wieder in einer Online-Liste veröffentlicht wird, wenn sie eingeschickt wird, können diverse Einstellungen vorgenommen werden. Es gibt je nach vorhandener Hardware einen Widescreen-Effekt, das Spielfeld kann zentriert werden, die Gamma-Werte der Grafik können eingestellt werden, ebenso die Lautstärke der Musik und einiges mehr.

Fazit

Superfly ist ein Spiel für Leute mit schnellen Reaktionen und einem sehr guten Nervenkostüm. Zu schnell kann einem die Lust am Spiel vergehen, wenn sich kein Gefühl für die Gravitationssteuerung einstellt. Wer somit immer sehr schnell sein Bildschirm-Leben aushaucht, wird Mühe haben, genug Erfahrungspunkte für die anderen Spielmodi zu erreichen und sicherlich bald die Lust am Spiel verlieren. Allerdings bietet das Spiel für Leute mit schnellen Reaktionen eine ungeheure Menge an Spielspaß und Langzeitmotivation. Auch, wenn das Spielprinzip selbst äußerst simpel gestrickt ist, so bieten die vielen Spielstufen und Gimmicks, die sich freischalten lassen, eine ganze Menge Anreiz es immer wieder von neuem zu versuchen. Und wenn es tatsächlich jemand schaffen sollte, in relativ kurzer Zeit alle Spielebenen freizuschalten, alle Highscores zu knacken und den mysteriösen Another Day-Modus zu aktivieren, so bleibt diesem immer noch die Möglichkeit den internationalen Highscore-Wettstreit auf der Homepage der Reservoir Gods aufzunehmen.

Schade ist allerdings, dass das Spiel optisch wenig zu bieten hat, auch wenn das Scrolling ungemein flink und soft ist. Der triste Bildschirm im Spiel ist wenig beeindruckend, so toll die Vehikel auch animiert sind. Auch soundtechnisch ist das Spiel wegen der fehlenden Soundeffekte nicht ganz ausgereizt.

Letzter Meckerpunkt ist zudem der wirklich knackige Schwierigkeitsgrad. Sicherlich werden viele Spieler nach einigen frustrationsreichen Spielversuchen die Finger von dem Spiel lassen. Zudem gibt es durch die zufällig erstellten Welten hin und wieder auch unfaire Stellen im Leveldesign, in Form von Einengungen durch die willkürlich gesetzten Hindernisse, die bei dieser Geschwindigkeit einfach nicht mehr zu passieren sind.

Zuletzt möchte ich anfügen, dass die Anwendung des Erfahrungspunkte-Prinzips ein wenig zu hart erfolgt ist, da das Spiel sich Leuten mit weniger Geduld einfach durch die vielen erst freizuschaltenden Bereiche selbst vorenthält. Es wäre schon wünschenswert gewesen, einige weitere Spielmodi von Beginn an freizuschalten oder wenigstens die oftmals ungeheure Anzahl der notwenigen Erfahrungspunkte ein wenig zu verkleinern.

Somit bleibt Superfly deutlich hinter dem Überflieger-Spiel Godpey zurück, welches Puzzle- und Reaktions-Freaks gleichermaßen gefordert hat. Allerdings bin ich mir sehr sicher, dass es seine Liebhaber finden wird. Ich für meinen Teil habe inzwischen, auch für diesen Test, etliche Stunden vor dem Monitor zugebracht und bin weiter auf der Hatz nach Erfahrungspunkten, um auch noch die letzten Geheimnisse zu lüften, stc

http://www.reservoir-gods.com

Text und Daddeln: Eric Henschler



Aus: ST-Computer 01 / 2003, Seite 52

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