Der geschenkte Datengaul - Datenritt auf Public-Domain: DFÜ-Programme im Vergleich

Axel Pretzsch Matthias Rosin

Unter DFÜ-Programmen gibt es auch die geschenkten Gäule vom Gestüt »Public Domain«. Vier von ihnen haben wir »ins Maul geschaut«.

Für den kommunikationsfreudigen Einsteiger empfiehlt sich ein Programm, das nur die wichtigsten Funktionen beherrscht. Gerade für den wagemutigen Neuling erweist sich unnötiger Ballast schnell als verwirrend. Das »Ochs vorm Berg«-Gefühl vermeidet dieses Programm durch strikte Beschränkung auf die unentbehrlichen Funktionen. Dazu gehören natürlich der direkte Dialog und das Senden und Empfangen von Dateien (allerdings ohne Kommunikationsprotokoll). Der Drucker schreibt das Bildschirmgeschehen auf Wunsch mit. Natürlich lassen sich die Übertragungsparameter einstellen und für weitere Sitzungen speichern. Wer des ständigen Eingebens von Paßwörtern beim Einloggen (so nennt man den — oft komplizierten — Vorgang, der dem Zugriff auf eine Mailbox vorgeschaltet ist) leid ist, wird an der Funktionstastenbelegung Gefallen finden. Damit stehen häufig benötigte Befehls- und Tastenkombinationen per Fingertipp parat. Die Funktionen sind wegen ihrer geringen Anzahl gut überschaubar. Als zusätzlichen Service bietet »CON_ST« eine Hilfs-Seite mit allen Kommandos an (Bild 1). Damit rufen Sie sich die Kommandos schnell ins Gedächtnis. Um die Befehle anzuwählen, genügt ein Druck auf die entsprechende Funktionstaste. Somit bleibt der Wechsel zur Maus erspart. Allerdings hat der Autor dieses einfache Bedienungskonzept nicht konsequent durchgehalten: Zum Einstellen der Parameter ist weiterhin die Maus erforderlich. Die Anleitung (auf Diskette) umfaßt rund drei deutschsprachige und leicht verständliche DIN-A4-Seiten.

Für den fortgeschrittenen Einsteiger empfiehlt sich unser braver Traber »TERM V.0.1«. Er beherrscht die direkte Kommunikation und das Senden und Empfangen von Dateien per XON/XOFF und XMODEM. Das XMODEM-Protokoll ist heute Standard, weit vor allen anderen Übertragungsprotokollen. Es trägt zur fehlerfreien Übermittlung bei.

Selbstverständlich lassen sich die Übertragungsparameter einstellen und auf Diskette festhalten. Ein großer Puffer konserviert eintreffende Daten und hält sie bei Bedarf auf Diskette fest. Die Bedienung des Programms ist besonders einfach und übersichtlich: TERMV. 0.1 verzichtet ganz auf Pull-Down-Menüs und fragt Eingaben direkt ab. So muß man sich bei der Arbeit nicht von der Tastatur entfernen, und auch der Umsteiger von anderen Computern findet sich sofort zurecht. Die Help-Funktion trägt ebenfalls zum einfachen Verständnis bei (Bild 2). Was TERM V.0.1 allen anderen Terminalemulatoren voraus hat, ist seine offene Programmierung: Das Programm ist Bestandteil unseres Kurses »Stein auf Stein«. Seit Ausgabe 11 des ST-Magazins führen wir Sie anhand dieses Programms in die Praxis der modularen Programmierung mit Omikron-Basic ein (siehe Seite 68).

Bild 1. CON_ST bietet auf wenig Raum die wichtigsten Funktionen. Trotz seiner einfachen Aufmachung kann sich das Programm mit professioneller Software messen.
Bild 2. TERM V.0.1. ist ein solides Programm für Einsteiger und Fortgeschrittene. Es gestattet den Blick in die Hexenküche der Programmierer. Das Programm ist Bestandteil unseres Kurses »Stein auf Stein«.

Tn »TERM-ST« finden sich die Funktionen von CON_ST als Grundstock wieder: Über den Dialog treten Sie mit der Außenwelt in direkten Kontakt. Bei diesem Programm steht auch ein VT-52-Emulator bereit. Er sorgt für eine ansehnliche Darstellung der Daten auf dem Bildschirm. Dabei sind allerdings kleine Einschränkungen in Kauf zu nehmen: Der Bildschirm ist auf 22 Zeilen reduziert, und ein Scrollen ist nicht mehr möglich. Der Emulator entspricht demnach nicht vollständig dem Standard. Weit über den Standard reicht die Belegung der Funktionstasten hinaus: 30 Texte finden Platz, die Länge beträgt bis zu 255 Zeichen pro Taste. Die Belegung lädt TERM-ST zusammen mit den Übertragungsparametern. Dies hat zur Folge, daß der Text nur mit einem externen Editor, beispielsweise »Tempus«, zu ändern ist. Zum Senden und Empfangen längerer Dateien stellt TERM-ST das Xon/Xoff-Protokoll bereit. Neben den üblichen Übertragungsparametern wie Baudrate und Zahl der Übertragungsbits steht eine Umlautwandlung auf Wunsch bereit. Ä, Ö und Ü verwandeln sich dann in eckige oder geschweifte Klammern. Eine gut gestaltete Bedienungsoberfläche rundet TERM-ST ab: Jeder Befehl ist über eine Kombination aus <Tab> und Buchstaben erreichbar. Vergehen nach dem Betätigen der Tab-Taste mehr als drei Sekunden, so erscheint ein Menü zur Übersicht (siehe Bild 3). Eine knappe Erklärung der Befehle umfaßt drei DIN-A4-Seiten und befindet sich auf der Programmdiskette. Vermißt haben wir verschiedene Terminal-Emulatoren, eine echte Makrosprache sowie XMODEM-und/oder KERMIT-Protokoll. Doch kann man soviel Komfort von einem PD-Programm überhaupt verlangen?

Man kann, wie die neueste Version von »Uniterm 2.0« beweist. Fünf Terminalemulationen holen den Großrechner auf den eigenen Bildschirm: Neben den VT-52- und VT-100-Versionen steht der VT-102- und VT-200-Standard zur Verfügung. Als besonderen Leckerbissen hat Uniterm ein Grafikterminal namens Tektronix 4010 implementiert: Damit lassen sich Vektorgrafiken direkt empfangen. Auch bei den Übertragungsprotokollen wartet Uniterm 2.0 mit einer großen Auswahl auf: Daten finden mit Hilfe eines ASCII-, XModem-, YModem- oder Kermit-Protokolls den sicheren Weg vom Sender zum Empfänger. Dabei umfaßt der Datenpuffer maximal 512 KByte. Sein Inhalt läßt sich entweder direkt auf Diskette oder in einem VDI-Device ablegen: Eine eintreffende Tektronix-Grafik, beispielsweise in einem GEM-File gespeichert, läßt sich anschließend mit »GEM-Draw« oder einem ähnlichen Zeichenprogramm bearbeiten.

Die Bedienung des Programms weist ein hohes Maß an Komfort auf. Alle Funktionstasten lassen sich mit Text belegen. Wer mit einem Modem arbeitet, weiß die automatische Wählfunktion zu schätzen: Mit einem Knopfdruck rufen Sie eine von zehn Telefonnummern auf. Dabei legt Uniterm automatisch auf, sofern nach der eingestellten Wartezeit keine Verbindung zustande kommt. Mit Hilfe des Single-Line-Editors lassen sich einzelne Zeilen komplett eintippen, korrigieren und anschließend als Paket abschicken. Der Aufruf einzelner Befehle erfolgt meist über die Tastatur. Ein Help-Menü vermittelt dabei schnellen Überblick (Bild 4). Zur Einstellung von Parametern stehen hingegen Pull-Down-Menüs mit Dialogboxen auf dem Plan. Dabei zeigt Uniterm 2.0 eine erstaunliche Vielfalt: So lassen sich neben den üblichen Werten auch die Trennzeichen für das Kermit-Protokoll festlegen.

Die Terminals werden auf ähnlich flexible Weise angepaßt, und selbst wer kein Modem nach dem Hayes-Standard besitzt, kann alle Vorteile von Uniterm genießen: Dazu schreibt er einfach die Kontrollsequenzen um. Eine ganz andere Form von Kontrollsequenzen sind die »Makros«: Sie erlauben es, Uniterm-Befehle mit Hilfe eines kleinen Programms anzusprechen. Dieses Programm wird auf einem externen Editor geschrieben und läßt sich anschließend über seinen Namen aufrufen — daß Sie dabei von der Funktionstastenbelegung fleißig Gebrauch machen, versteht sich von selbst. Innerhalb des Makros dürfen Verzweigungen und Schleifen auftauchen. Auch das Warten auf eine Tastatureingabe ist vorgesehen. Uniterm legt sie anschließend in einer Variablen ab. Die Makros erlauben die vollständige Kontrolle über das Programm und lassen sich

hilfreich einsetzen: Ein Tastendruck genügt zum Beispiel, um eine Mailbox anzuwählen, sich einzuloggen und die aktuelle Post auf Diskette zu speichern. Der Schweizer Autor Simon Poole aktualisiert sein Uniterm laufend. So hat er die neueste Version um ein sogenanntes Pop-Up-Menü ergänzt: Ein Klick auf die rechte Maustaste fördert direkt an der Mausposition ein Menü mit den wichtigsten Kommandos ans Bildschirmlicht. Alles in allem betrachtet, bietet Uniterm erstaunlich viele Funktionen. Es muß sich durchaus nicht vor kommerziellen Programmen verstecken. Ein echtes Rennpferd für den Daten-Jockey, der es zu bändigen weiß. (mr)

Die Programme bekommen Sie bei folgenden PD-Servicestellen: Buchhandlung Werner Finke, Kipdorf 32, 5600 Wuppertal Eco-Soft AG, Kaiserstraße 21, 7890 Waldshut
Ingenieurbüro Manfred Ohlms, Postfach 6312, 4400 Münster Philgerma Softwarevertrieb, Barerstr. 32, 8000 München 2
TERMV.0.1 ist unter der Bestell-Nummer 31811 erhältlich bei: Markt & Technik Verlag AG, Hans-Pinsel-Straße 2, 8013 Haar. Preis 29,90 Mark.

Bild 3. Mit TERM-ST kommen Einsteiger und Fortgeschrittene zurecht
Bild 4. Uniterm 2.0 sprengt den Public-Domain-Rahmen: Unter anderem bietet es ein Grafikterminal und eine Makro-Sprache.


Aus: ST-Magazin 02 / 1989, Seite 36

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