Deluxe Paint

Seit über vier Jahren ist das Malprogramm »Deluxe Paint« ein echter Renner auf Amigas und PCs. Nun gibt es den Klassiker auch für STs.

Vom Bildschirmlayout erinnert Deluxe Paint an Neochrome

Vor den Erfolg haben Götter den Schweiß gesetzt. Im Fall von »Deluxe Paint III ST« besteht er in der Lektüre des 208 Seiten starken englischen Handbuchs. Probleme, die dem frischgebackenen Painter bei ersten Gehversuchen mit dem Zeichentalent in die Quere kommen — vom Anfertigen einer Sicherheitskopie bis zur Fertigstellung einer Animation - hier werden sie beantwortet.

Von den drei gelieferten Disketten wirft man die Programmdisk ein und startet den Farbenzauber (die anderen beiden Disketten enthalten Beispiel-Bilder).

Soso, auf dem STE muß man zuerst in Medium Resolution wechseln, da er die INF-Datei nicht interpretieren kann! Sogar auf dem TT arbeitet Deluxe Paint — aber nur in der mittleren ST-Auflösung.

Das Fadenkreuz bewegt sich in der Lupe und im Gesamtbild

Der erste Eindruck von Deluxe Paint erinnert stark an einen alten Bekannten aus der Public-Domain-Ecke: »Neochrome«. Die Aufteilung des Bildschirms ist nahezu identisch: Oben das Originalbild, unten links die ständig eingeblendete Lupe, dazwischen ein Balken zur Farbwahl. Wer hat da von wem abgeschaut? Oder bevorzugen die Amerikaner dieses Bildschirmlayout grundsätzlich? Auf jeden Fall merkt man dem Rastergrafikzeichner an, daß er von anderen Systemen auf den ST portiert wurde: Deluxe Paint ist nicht in GEM eingebunden und erinnert auch sonst kaum an ein ST-Programm.

Wer ältere Versionen vom Amiga kennt, wird feststellen, daß die ST-Umsetzung von einigen Ungereimtheiten befreit wurde. Klickt man nun z. B. mit der linken Maustaste auf eines der Symbole in der Kommandozeile, wird dessen Funktion aktiviert, während das Programm beim Betätigen des rechten Knopfs in ein Untermenü verzweigt. So ist es möglich, Vorder- und Hin-tergrundfarbe auf einfachste Weise aus der Palette von 512 auszuwählen oder über die Form der verwendeten Pinsei zu entscheiden.

Die Pinsel sind ohnehin eine der größten Stärken von Deluxe Paint: Im Angebot befinden sich standardmäßig zehn Zeichenwerkzeuge, eigene zu definieren wird durch den Editor zum Kinderspiel. Dazu markiert man einfach einen bestimmten Bildschirmbereich und kopiert ihn in den Pinselpuffer — fertig ist die Eigenkreation.

Als echter Amerikaner beherrscht Deluxe Paint leider keine Umlaute

Für Feinarbeiten am digitalen Kunstwerk befindet sich im linken unteren Viertel des Bildschirms ein Zoomfenster, in dem Bildausschnitte in fünf Vergrößerungsstufen dargestellt werden. Im Gegensatz zu »Degas Elite« folgt das Werkzeug jeder Bewegung des Cursors in Echtzeit und muß nicht ständig auf die neue Zeichenposition ausgerichtet werden.

Neben den üblichen Funktionen zum Zeichnen von Linien, Kreisen, Ellipsen, Rechtecken und dergleichen beherrscht Deluxe Paint das zeitsparende Feature zum Festlegen einer Kurve. Definiert man einen Start- und Endpunkt sowie zwei Punkte im Raum dazwischen, verbindet Deluxe Paint diese nach den Gesetzmäßigkeiten des Bezier-Verfahrens.

Andere Merkmale konventioneller Programme wurden sinnvoll ergänzt und in punc-to Anwenderfreundlichkeit verbessert: Die Airbrush-Funktion sprüht Farbe bzw. Muster in einstellbarer Dichte auf einen vorher festgelegten Bereich, wobei mit ein wenig Übung verblüffende Graffiti-Effekte möglich werden. Die schnelle Füllroutine verhilft geschlossenen Objekten zu Farben, Mustern und Farbverläufen. Läßt man Farbe geschickt um einen Kreis bzw. eine Ellipse herumfließen, entsteht ein sanfter 3D-Effekt. Ebenfalls nicht selbstverständlich: Durch Definition von Grenzwerten lassen sich fließende Farbverläufe erzielen. Plastisch dargestellte Körper erhalten dadurch zusätzliche Realitätsnähe.

Natürlich lassen sich auch Texte in die Grafiken einbinden. Eine der mitgelieferten Zusatzdisketten enthält eine Auswahl von Zeichensätzen, die in beliebiger Größe mit bis zu 16 Farben und dem jeweils korrekten Punktabstand geladen und positioniert werden können. Einschränkung: Schriften können nicht gedreht werden, das GDOS-Format wird nicht verarbeitet.

Interessant wird ein Malprogramm meist erst dann, wenn es Tricks beherrscht, die der Rohzeichnung auf möglichst bequeme Weise zu beeindruckenden optischen Effekten verhelfen. Deluxe Paint beherrscht dabei Tricks wie Verschmieren, leichtes Tönen und sanftes Verwischen.

Seine Kunstwerke sichert der Digital-Picasso entweder im fest eingestellten IFF-Standard, im NEO- und PC1-bzw. PIC-Format.

Last not least wäre ein Malprogramm natürlich völlig sinnlos, könnte man das Entworfene nicht auch problemlos zu Papier bringen. Deluxe Paint bietet zu diesem Zweck ein Utility, mit dem man verschiedene 9-/24-Nadler anpassen sowie die Größe und Dichte des Ausdrucks festlegen kann. Allerdings arbeitet der zusätzliche Helfer ziemlich träge.

Den kleinen Ausrutscher beim Drucken macht Deluxe Paint durch einige bemerkenswerte Extras wieder wett. Das Animationsstudio z.B. kann bis zu 999 Rahmen im Speicher zu einem Computerfilm verknüpfen — fast schon eine Wertanlage für sich. Vergleichbares bietet zu vergleichbarem Preis nur »Cyber Paint« — das ist aber längst nicht so flexibel. Die wachsende Zahl der STE-Besitzer kommt mit Deluxe Paint endlich in den Genuß der gesamte Farbpalette ihres Geräts. Zu guter Letzt wurde auch an Entwickler gedacht, die mit verschiedenen Rechnersystemen arbeiten. Das Programm »Convert« setzt Bilder und Animationen so um, daß sie direkt in die Version 3.0 von Deluxe Paint auf Amiga und PC geladen werden können. Wem das alles noch nicht reicht, der kann vom Hersteller vierteljährlich Zusatzdisketten mit Computerkunst und Demos beziehen, die er modifizieren und weitergeben darf.

Unterm Strich: Deluxe Paint ist eines der wenigen ST-Produkte aus den USA, die in den letzten Monaten den Weg über'n großen Teich geschafft haben. Die Amerikaner scheinen nicht besonders viel von GEM-Programmierung zu halten, trotzdem ist Deluxe Paint durchaus ein ausgereiftes Produkt. Das Handbuch bietet auch bei lückenhaften Englischkenntnissen mehr Lesespaß als trockene Anleitung. Mit 189 DM gehört der Farbenjongleur außerdem zu den erschwinglichen ST-Programmen, auch wenn sich verdächtige Ähnlichkeiten mit dem PD-Programm Neochrome nicht wegleugnen lassen... (hu)

Deluxe Paint

Hersteller: Electronic Arts
Preis: 189 DM

Stärken: nutzt komplette STE-Farbpalette, Echtzeitlupe, alle wichtigen Farbdateiformate, viele Extras

Schwächen: nicht in GEM eingebunden, stets nur kleiner Bildausschnitt sichtbar, langsame Druckfunktion

Fazit: empfehlenswertes Farbmalprogramm zum erschwinglichen Preis


Klaus Vill Carsten Borgmeier
Aus: ST-Magazin 01 / 1991, Seite 40

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