Editorial - Alles eitel Sonnenschein ?

Wollen Sie reich und berühmt werden? Ganz einfach: Sie kaufen einen Computer, machen einen Basic-Kurs und gründen eine Firma...

Getreu dem Motto »Was keiner kann, das kann ich auch« zeichnet kaum eine Szene mehr skurrile Bilder von schrägem Software-Glücksrittertum als der ST-Markt: Firmen-Rückmeldungen wie »Mein Sohn ist noch in der Schule« oder »Empfänger unbekannt verzogen« erlebt man zweifellos öfter als in der DOS-Szene.

Offenbar glauben noch viel zu viele »Einzelkämpfer«, sie könnten - mit Kartoffelchips und Cola bewaffnet - in nächtlichen Sitzungen die »ultimative« Software zusammenstricken. Daß ihr teures »Werk« dann weder auf einem Großbildschirm noch auf STE oder TT funktioniert, scheint sie oft gar nicht zu stören.

Klar, daß fast täglich Anbieter von der Bildfläche verschwinden -entweder ist ihnen die Luft ausgegangen oder sie versprechen sich bei Big Blue größere Gewinne und wechseln die Szene. Doch auch bei IBM & Clones ist niemand mehr bereit, viel Geld für das fünfhundertste Text- oder Malprogramm auszugeben, nur weil es zwei Features mehr besitzt als die Textverarbeitung zu Hause. Außerdem: Kopiert wird allemal mehr als gekauft.

So ist die Stimmung in der Branche eher pessimistisch und unter der schlechten Kaufmoral leiden letztendlich Hersteller, die saubere Arbeit abliefern: In Zukunft nämlich wird sich jeder Anwender seine persönliche Rechnerkonfiguration aus vielen Einzelmodulen zusammenstellen - Beispiele wie der neue »Calamus SL« oder das Grafiktalent »Graffiti« zeigen bereits gute Ansätze. Daß solch umfangreiche Software nicht im Alleingang entstehen kann, dürfte einleuchten: Ein ganzes Team von Entwicklern liefert Baustein für Baustein. Und daß diese Entwickler vom Verkauf ihrer Software leben wollen, dürfte ebenso klar sein...

Es grüßt Sie herzlich


Hartmut Ulrich
Aus: ST-Magazin 02 / 1991, Seite 3

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