← TOS 09 / 1992

Eisiger Wind: Interview mit Digital DeskTop

Interview

Matthias BĂ€hr (links) ist einer der vier DDT-GeschĂ€ftsfĂŒhrer, Andreas Pirner (rechts) leitet den DDT-Vertrieb

Zentralisation, Vertriebskrise, HÀndlersterben: keine rosigen Zeiten in der Computerbranche. Die Strukturkrise macht auch vor den Atari-HÀndlern nicht halt. Neue Vertriebskonzepte sind gefragt, die langfristig die Existenz lokaler HÀndler sichern. »Digital Desktop«, ein Verbund von derzeit sieben lokalen Atari-Anbietern, besinnt sich auf die Tradition der Einkaufsgenossenschaft. Auch im Marketing und Vertrieb ist bei DDT gemeinsames Handeln angesagt. TOS sprach mit DDT-Initiator Matthias BÀhr.

TOS: Was ist DDT und wie kam es dazu?

BĂ€hr: DDT ist ein Verbund von sieben gleichberechtigten ComputerhĂ€ndlern, die innerhalb einer Non-Profit-Struktur seit einem Jahr Zusammenarbeiten. Am Anfang stand die Idee, daß man in der Masse stĂ€rker ist. Das macht sich erstmal beim Einkauf bemerkbar, denn als HĂ€ndlergemeinschaft bekommen wir bessere Konditionen bei den Herstellern. Im Computerbereich ist der klassische Gedanke der Einkaufsgenossenschaft bislang ziemlich unterentwickelt. Außerdem hatten wir als lokale HĂ€ndler vor, professionell, vierfarbig und auffĂ€llig in Zeischriften zu werben, ohne daran finanziell kaputt zu gehen. Die Kosten werden nun zu gleichen Teilen auf die Mitglieder von DDT verteilt. Messe-StĂ€nde und Marketing lassen sich in einer Gemeinschaft auch besser organisieren. Angesichts der akuten Zentralisation im Computerhandel hat der kleine EinzelkĂ€mpfer heute sonst kaum Überlebenschancen. Mittlerweile kommen auch Entwickler auf uns zu, denn DDT stellt einen Marketing-und Vertriebs-Kanal bereit.

TOS: Schließen sich Atari-HĂ€ndler zu Genossenschaften zusammen, weil sie es heute schwerer haben als andere HĂ€ndler?

BĂ€hr: Nein, DDT ist kein Atarispezifisches Konzept. Wir möchten systemĂŒbergreifend sein und unterstĂŒtzen ein breites Anwendungsspektrum. Dabei stehen Office Automation und gemischte Netzwerke im Mittelpunkt. Atari-, Apple- und MS-DOS-Systeme sind bei uns gleichberechtigt. Jeder DDT-HĂ€ndler sollte diese Systeme vertreiben, egal welchen Schwerpunkt er dabei setzt. Willkommen sind deshalb auch Apple-HĂ€ndler, die Atari in ihr Programm nehmen wollen.

TOS: Was bringt eine Genossenschaft den Kunden?

BĂ€hr: ZunĂ€chst: mehr Know-how. Jeder HĂ€ndler ist Spezialist fĂŒr ein bestimmtes Thema. Vom Erfahrungsaustausch unter den DDT-Mitgliedern profitieren die Kunden. Wir streben einen Mitarbeiter-Austausch an, der den Wissens-Transfer gewĂ€hrleistet. Vom gĂŒnstigen DDT-Einkauf profitieren die Kunden durch Sonderangebote. Die Preisvorteile erreichen den KĂ€ufer, ohne daß es dem HĂ€ndler an die Substanz geht. Zu geringe Margen gefĂ€hrden die Existenz eines HĂ€ndlers und am Ende steht der Kunde allein da. Schließlich erlaubt uns DDT neue Service-Leistungen wie die Vier-Jahres-Garantie. Ein loser HĂ€ndler-Verbund wĂŒrde so etwas organisatorisch nicht auf die Reihe kriegen. DDT soll sich flĂ€chendeckend entwickeln, um bundesweit das gleiche Niveau zu bieten. Unsere Zielsetzung sind 20 bis 30 HĂ€ndler bis Ende 92.

TOS: Atari dĂŒrfte ĂŒber ihre Initiative sehr glĂŒcklich sein. Kommt Ihnen Atari in irgendeiner Form entgegen?

BĂ€hr: Ein HĂ€ndlerverbund birgt fĂŒr einen Hersteller immer die Gefahr, abhĂ€ngig zu werden. Kein DDT-HĂ€ndler hat aber Interesse daran, Atari zu schwĂ€chen, denn wir brauchen eine starke Firma Atari. Wir werden uns deshalb mit Atari zusammensetzen, um Vorbehalte aus dem Weg zu rĂ€umen. Schließlich ist die ganze Situation derzeit so kritisch, daß sich niemand den Luxus erlauben sollte, sich im Sandkasten zu fĂŒhlen und mit Förmchen zu schmeißen.

TOS: Woher kommen neue DDT-Mitglieder?

BĂ€hr: Nicht jeder HĂ€ndler ist in der Lage, bei DDT mitzumachen. Es kann an der GrĂ¶ĂŸe, an der Leistung oder der Zielsetzung scheitern. Einen Cash & Carry-Laden können wir im DDT einfach nicht gebrauchen. Wir suchen potente HĂ€ndler, von denen es in der Atari-Szene leider nicht mehr viele gibt. Im norddeutschen und sĂŒddeutschen Raum sieht es besonders schlecht aus. MĂŒnchen ist ein weißer Fleck. Ein MĂŒnchner muß seinen Atari per Versand kaufen. Wir werden dort etwas tun.

TOS: Sie sind aber auch im Cash & Carry-Bereich aktiv.

BĂ€hr: Ja, DDT-Mitglieder und weitere Firmen haben den Versandhandel Axept gegrĂŒndet. Der Genossenschafts-Gedanke spielte auch hier eine Rolle. Im Gegensatz zu DDT entfallen bei Axept aber kostenintensive Faktoren wie Beratung und Support. Allein unser GeschĂ€ft in Berlin hat heute 25 Mitarbeiter. Mit so einem intensiven Service können wir einen ST nicht fĂŒr'n Appel und ein Ei verkaufen. Axept schließt die LĂŒcke nach unten, denn es gibt eine Kundengruppe, die weder Service noch Beratung will. Wir werden in ein paar GroßstĂ€dten Axept-Shops grĂŒnden, die als reiner Abholmarkt arbeiten.

TOS: Gibt es eine Verbindung zwischen Axept und DDT?

BĂ€hr: Eigentlich nur ĂŒber die beteiligten Personen. Axept ist kein Mitglied von DDT.

TOS: Welche Erwartungen haben Sie als Atari-HÀndler an die nÀhere Zukunft? Wird das GeschÀft auf kleinerer Flamme kochen?

BĂ€hr: Hoffentlich nicht. Auch wenn ich in erster Linie Kaufmann bin: Apple-Computer finde ich heute professioneller als einen Atari. Viele Dinge, zum Beispiel das Betriebssystem, sind bei Apple besser gelöst. Da kann Atari noch eine Menge lernen. Trotz vieler Unkenrufe gibt es aber immer noch deutliche Preisunterschiede. Vom Preis-Leistungs-VerhĂ€ltnis ist der Atari bisher ungeschlagen. Seitdem wir Apple im Programm haben, fĂ€llt es uns leichter, unseren Kunden die individuellen Vor- und Nachteile zu demonstrieren. SystemĂŒbergreifend bieten wir den direkten Vergleich zwischen verschiedenen Lösungen. Und plötzlich merken wir: Der Atari lĂ€ĂŸt sich viel besser verkaufen, wenn ein Apple danebensteht. Wenn die Apple-HĂ€ndler alle Atari im Programm hĂ€tten, wĂŒrde Apple sein blaues Wunder erleben. Andererseits habe ich ein bißchen Angst, was Atari angeht. Die Probleme fingen an, als Atari aus den KaufhĂ€usern rausgeflogen ist: Ein Computer, der im Kaufhaus steht, landet auch im Fachhandel. Doch den Kaufhaus-Markt hat man kampflos Commodore ĂŒberlassen. Erst wenn Atari wieder in die KaufhĂ€user zurĂŒckkehrt, werden sie ein Comeback im Fachhandel haben. Aber auch so wird das Atari-GeschĂ€ft nur ĂŒberleben, wenn der Falcon noch dieses Jahr kommt. Mit Mega STs und TTs kann ich mich nicht mehr ĂŒber's WeihnachtsgeschĂ€ft retten. Der ST Book kam ein Jahr nach seiner Vorstellung auf den Markt. Was er an Innovation hatte, ist mittlerweile verpufft. Wenn uns dasselbe mit dem Falcon passiert, dann gute Nacht Marie. (ah)