Scharf gewürzt: Das kann die neue Videoeffekt-Karte Chili

Ist Chili eine Grafikerweiterung, ein Digitizer oder ein Genlock? Nein, Chili ist all dies und mehr.

Der Redaktionsschluß für diese TOS-Ausgabe liegt schon weit zurück, als mich aus heiterem Himmel und der Schweiz ein Päckchen mit feurigem Inhalt erreicht: Chili. Doch nicht die Pfeffersorte, sondern eine mindestens ebenso scharfe Grafikkarte für Videoeffekte verbirgt sich hinter diesem Namen. Ich halte diese Neuerscheinung der Marvin AG für derart interessant, daß ich im folgenden schon einmal vorab die grundsätzliche Funktionsweise dieser Karte vorstelle. Ein ausführlicher Test folgt in einer der nächsten TOS-Aus-gaben.

Chili mit einem Wort wie »Grafikerweiterung«, »Digitizer« oder »Genlock« klassifizieren zu wollen, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Prinzipiell ist Chili eine Grafikkarte, die in dem internen Erweiterungs-Steckplatz eines Mega ST Platz findet. Auf ihr befinden sich 384 KByte RAM, das die Grafik beherbergt. Diese erscheint wahlweise mit 50 oder 60 Hertz Bildfrequenz auf einem an die Karte angeschlossenen RGB-Monitor. Stecken Sie an den Monitor-Ausgang einen RGB/FBAS-Wandler an, ist auch die Aufzeichnung der Grafik auf einem Videorekorder kein Problem. Chili erlaubt die gleichzeitige Darstellung von 65536 unterschiedlichen Farben, die sich aus einer Kombination von 256 Farbtönen und 256 Helligkeitsstufen ergeben (16 Bitplanes). Diese Technik stellt jede denkbare Farbe zur Verfügung und sorgt zudem für fein abgestufte Farbverläufe.

# Technische Daten von Chili

Auflösungsstufen:

Speicher Bildschirm Bildfrequenz Genlock Interlace
512 x 500 460 x 290 50 Hz ja ja/nein
512 x 500 460 x 290 60 Hz nein nein
1024 x 250 920 x 250 50 Hz ja ja/nein
1024 x 250 920 x 250 60 Hz nein nein
512 x 500 460 x 500 50 Hz ja ja/nein
512 x500 420 x 500 60 Hz nein nein

Bandbreite: 17,7 MHz (oder weniger)

Farben: 65536 (gleichzeitig darstellbar)

Farbsystem: 16 Bit pro Pixel (8 Bit Chrominanz + 8 Bit Luminanz)

Aber wie kommen die Grafikdaten in den Bildschirmspeicher? Zum einen kann ein Malprogramm über den Mega-Bus Bilder in das Chili-Video-RAM übertragen, auslesen und verändern. Ein solches Programm ist im Chili-Lieferumfang enthalten und bietet als Spezialität den Parallelbetrieb von Färb- und Monochrom-Monitor beim Malen und Manipulieren einer Grafik. Zum anderen, und das ist eine kleine Sensation, enthält Chili einen Digitizer, der in Echtzeit (also einer fünfzigstel Sekunde) ein Videobild in eine Computergrafik umwandelt und in den Bildschirmspeicher schreibt - in 65536 Originalfarben. Dazu schließen Sie einfach einen Videorekorder oder eine Videokamera an die Karte an und starten zum Beispiel per Accessory den Digitalisier-Vorgang. Ich konnte übrigens keinen Unterschied - weder in der Auflösung, noch bei den Farben - zwischen dem Original-Videobild und der digitalen Kopie erkennen.

Neben dem Digitizer und dem Computer bemächtigt sich auf Kommando noch jemand des Video-RAMs: ein digitaler Signalprozessor, dessen Spezialität es ist, Grafikdaten mit atemberaubender Geschwindigkeit in vielen Variationen zu verschieben, zu vergrößern oder zu verändern. Dieser Chip bildet zusammen mit einem weiteren Signalprozessor und dem »Video Management Processor« ein Triumvirat, das bei geschickter (wenngleich nicht ganz unkomplizierter) Programmierung die abenteuerlichsten Video-Trickeffekte herbeizaubert.

Zu guter Letzt sitzt noch eine Genlock-Schaltung auf der Chili-Platine, die in der Lage ist, Videobilder live mit Computergrafik zu mischen oder an bestimmten Stellen der Grafik durchscheinen zu lassen. Die klassische Anwendung hierfür ist das Verfeinern selbstgedrehter Videofilme mit (rollenden) Vor- und Abspanntexten. Die Vorversion eines komfortablen Videotitel-Programms für Chili existiert bereits.

Das Zusammenspiel aller auf der Chili-Karte enthaltenen Komponenten eröffnet unzählige Anwendungsgebiete im Video- und Computergrafik-Bereich. Dazu zählen Echtzeit-Trickeffekte, Realbild-Nachbearbeitung und Verfremdung, Farbkorrektur und vieles mehr.

Soviel vorab zu dem ungewöhnlichen Chili-Konzept. Genaueres folgt im Testbericht.

Effekte aller Art sind Chilis Spezialität. Echtfarben und Echtzeit verstehen sich von selbst. Hier von oben nach unten: Originalbild (digitalisiert!), Mosaik- und Kugel-Effekt
Chili ist heiß - so heiß, daß die Karte sogar einen eigenen Lüfter benötigt

Toni Schwaiger
Aus: TOS 06 / 1990, Seite 24

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