Wellenreiten mit dem Sampler: GenWave, ein vielseitiger Sample-Editor

Mit GenWave 1.1 bietet nun auch Hybrid Arts einen universellen Sample- Editor an. Ob GenWave die Wogen der Freude unter den Sample-Freunden höher schlagen läßt oder ob es in der Flut von Editoren untergeht, zeigt der folgende Testbericht.

Die Envelope-Page: Einfach gelingen komplexe Manipulationen wie Tonhöhenänderungen

Wer einen Sampler besitzt und neben den vorgefertigten Samples der Sound-Industrie auch eigene Klänge herstellen möchte, kommt um den Kauf eines geeigneten Sample-Editors für seinen Computer kaum herum: 1 bis 2 Höheneinheiten im Rack bieten in den meisten Fällen für eine komfortable Benutzeroberfläche so wenig Platz, daß schon das einfache Setzen von Start- und Endpunkt zum nervtötenden Knöpfchendrücken gerät. Mit »GenWave« aus dem Hause Hybrid Arts gibt es einen neuen Vertreter der Kategorie »universelle Sample-Editoren«. Da Steinberg mit »Avalon« bereits einen sehr hohen Standard in dieser Sparte gesetzt hat, war ich natürlich gespannt, wie sich GenWave neben dieser Konkurrenz behauptet. GenWave arbeitet mit allen gängigen Samplern zusammen und wird auf zwei Disketten ausgeliefert. Dabei sind aus Speicherplatzgründen die 12- und 16-Bit Versionen getrennt. Nach Laden des durch einen Joystickport-Dongle geschützten Programms befindet man sich auf der Loop-Page, einer der drei Hauptbildschirmseiten. Neben der bekannten Menüleiste fallen zwei große schwarze Flächen am unteren Bildrand und in der Bildmitte sowie eine Toolbox im rechten Bilddrittel auf. Was es mit den schwarzen Flächen auf sich hat, klärt sich schnell nach dem Laden eines Samples: Das untere Fenster zeigt das Sample im Überblick, im zentralen Fenster stellt GenWave die ausgewählten Loop-Punkte in höchster Vergrösserungsstufe da. Die bis zu acht Sustain- und Release-Loops wählen Sie zunächst grob mit zwei ober- und unterhalb des »Übersichts-Fensters« befindlichen Schiebern, die Feinjustage erfolgt anschließend mit den Pfeil-Buttons in der Toolbox. Da es in der Praxis kaum gelingt, hundertprozentig passende Loops zu finden, bietet GenWave ausgefeilte Cross-Fade-Operationen (Angleichen von Loop-Start und -Ende), die eine optimale Bearbeitung selbst ungünstiger Übergänge erlauben.

Wer mit dem Ergebnis des Computer-Cross-Fadings nicht zufrieden ist, führt per Maus-Freihandzeichnung pixelgenaue Korrekturen durch. Sollte eine Aktion gründlich mißlingen, besteht kein Grund zur Panik: GenWave verwaltet einen UNDO-Puffer, sodaß Sie auch riskante Klangbasteleien unbesorgt wagen dürfen.

Die Equalizerpage: GenWaves Filterabteilung läßt kaum Wünsche offen.

Über den Menü-Punkt »Equalizer« gelangen Sie zur Filter-Page des Programms. Zwar finden Sie hier keinen Equalizer im eigentlichen Sinne, dafür bietet Ihnen GenWave fünf verschiedene Filtertypen zur Bearbeitung des Klangmaterials. Dazu gehören Hoch-, Tief- und Bandpass sowie Bandsperre. Der fünfte Filtertyp »Peak« ähnelt in seiner Arbeitsweise stark einer parametrischen Klangregelung und beansprucht die meiste Rechenzeit von allen Filtern. Ungefähr 30 Sekunden benötigt GenWave, um ein ca. 65 KByte großes 16-Bit-Sample mit Peak zu bearbeiten. Je nach Filtertyp lassen sich die Parameter Filterfrequenz, Bandweite und Filterstärke per Schieber den jeweiIigen Erfordern issen an passen. Ein erstauntes »Oh!« kam dem Tester über die Lippen, als er auf der Equalizer-Page einen Button mit der Aufschrift »FFT« erspähte. FFT ist die Abkürzung für »Fast Fourier Transformation«, einem mathematischen Verfahren, das einen Klang in seine einzelnen Sinusschwingungen zerlegt und so Aufschluß über die Frequenzverhältnisse innerhalb eines Sounds gibt.

Besonders interessant für Klangbastler ist die FFT dann, wenn das Programm ein solches Frequenzspektrum direkt manipuliert und anschließend wieder in ein normales Sample zurückrechnet (Re-synthese). GenWave beherrscht die hohe Kunst der Resynthese leider nicht, die FFT dient nur zur Analyse von Sounds. Aber auch diese Aufgabe erfüllt das Programm bisher nicht optimal. Zwar sind die Rechenzeiten (Auflösung: 128 Slices) akzeptabel, doch ist der anschließende Grafikaufbau zu langsam. Auch läßt sich der »Blickwinkel« auf die Grafik nicht verändern. Dafür gestattet GenWave das Zoomen einzelner Frequenzbereiche. Operationen wie Samples schneiden, mischen, invertieren und Pegel korrigieren erledigen Sie bequem in der »Envelope Page«, die in ihrem Aufbau der Looping-Page ähnelt. Inder »Draw Area« direkt über dem »Overview Display« lassen sich per Mauszeichnung Effekte wie Tonhöhenänderungen, Stereo-Panning und Hüllkurven korrek-tur erzielen. Die X-Achse entspricht dabei der Länge des Samples, die Bedeutung der Y-Achse ändert sich gemäß der angewählten Funktion: Beim Stereo-Panning stehen positive Y-Werte für »links«, negative Y-Werte für »rechts«.

Die Loop-Page- Hier entstehen selbstgemachte Schleifen.

Wählt man »Do-Pitch«, erhöht oder erniedrigt GenWave analog hierzu die Frequenz. Samples lassen sich übrigens zu jedem Zeitpunkt über den internen Atari-Soundchip abhören, zur exakten Kontrolle ist auch ein 8-Bit D/A-Wandler für den ROM-Port erhältlich. Wer seinen Sampler zwischendurch vom Computer aus spielen möchte, ruft einfach das integrierte Mauskeyboard auf, das sogar per Mausklick Pitch-Bending und Modulation-Wheel Steuerdaten sendet. GenWave hinterläßt einen ausgesprochen guten Eindruck. Alle zur Sample-Editierung notwendigen Funktionen sind vorhanden und einfach und effizient zu handhaben. Wünschenswert wäre noch die Verarbeitung von Sample-Dateien anderer Editoren. Der aktuelle Preis von 498 Mark geht für Software dieser Kategorie in Ordnung. »Avalon« kostet fast 650

Mark, verfügt jedoch über mehr Funktionen und beherrscht die bereits angesprochene Bearbeitung von Fourier-Spektren und deren Resynthese. Wer auf diese Fähigkeiten verzichten kann, für den ist GenWave die richtige Wahl, (wk)

Hybrid Arts, Eschborner Landstraße, 6000 Frankfurt/Main 90

WERTUNG

Name: GenWave
Preis: 498 Mark
Hersteller: Hybrid Arts

Stärken: Einfache Bedienung □ gut durchdachtes Funktionsangebot □ gute Filtersektion

Schwächen: Grafik bei FFT unübersichtlich □ Grafikaufbau manchmal langsam □ keine Fremdformate bei Sample-Dateien

Fazit: Guter universeller Sample-Editor füralle, dieauf Resynthese verzichten können.


Kai Schwirzke
Aus: TOS 08 / 1990, Seite 126

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