Veni, MIDI, Video? »MIDI-Technologie«, Video-Kurse der Firma Touring TV

Daß der MIDI-Siegeszug noch lange nicht abgeschlossen ist, zeigen nicht zuletzt die überquellenden Kurse an den Volkshochschulen. Was liegt da näher, als das begehrte Wissen in Form von Video-Tutorials anzubieten. Wir stellen Ihnen in loser Folge einige Vertreter vor.

Beginnen wollen wir mit dem Film »MIDI Technologie Part I für Einsteiger« der Münsteraner »Touring TV«. Er kostet 69 Mark und hat eine Laufzeit von 55 Minuten. Der Zuschauer sieht zunächst eine Einführung in die verschiedenen Instrumenten-Gruppen (Kleinstkeyboards, Keyboards mit Begleitautomatik, Synthesizer, Expander, Drum-Maschine und Sampler) und bekommt diese exemplarisch mit jeweils einem Gerät vorgestellt. Im Anschluß hieran erfährt der MIDI-Neuling, wie sich unter MIDI mehrere Instrumente miteinander verbinden lassen, und wie er auf diese Weise die Sounds verschiedener Synthesizer gleichzeitig spielen kann. Der letzte Teil des Films ist dem Einsatz des Computers in der Musik gewidmet. Anhand des Atari ST und einiger Programme stellt das Video die vielfältigen Möglichkeiten dieses Mediums da.

Was hier in der Theorie durchaus geeignet erscheint, dem Novizen einen guten Einblick in die »MIDI-Technologie« zu verschaffen, entpuppt sich in der Praxis leider als recht krauses Durcheinander an häppchenweiser Information. Trotz professioneller Video-Technik bleibt das methodisch-didaktische Konzept völlig auf der Strecke. So konfrontieren die beiden Moderatoren den ahnungslosen Zuschauer bereits mit Begriffen wie »Hardware-Sequenzer«, »RAM- und ROM-Cards«, bevor überhaupt das zu deren Verständnis notwendige Basiswissen vermittelt wurde. Der Zuschauer erfährt bereits zu einem Zeitpunkt etwas über »sternförmige Vernetzung durch Thru-Boxen«, bevor die normale MIDI Thru-Buchse mit einem einzigen Wort Erwähnung fand.

Wichtige Grundlagen der MIDI-Technik streuen die beiden Sprecher allenfalls spärlich in ihre Ausführungen ein. Was ein MIDI-Kanal nun genau ist, worin der Unterschied zwischen MIDI-Kanal und Sequenzer-Track besteht, was man sich, bitteschön, unter Multimode vorzustellen hat, all diese Fragen bleiben ungeniert im Raume stehen. Bedenklich stimmt gelegentlich auch das sprachliche Niveau der Produktion. Bei einem Tutorial ist lockerer Sprachstil sicherlich angemessener und zweckdienlicher als stocksteifes Dozieren. Doch darf dabei eine Aussage nicht an Präzision verlieren, und schon gar nicht darf sie in überflüssiges Geschwafel ausarten. So hilft dem lernbegierigen Zuschauer die Aussage »Ihr seht, es ist fantastisch. Man kann also dolle Sachen damit machen« (O.-Ton M.HF.Müller) nur wenig. Auch das bewegende Statement Chris Höppners im Angesicht einer Korg MI »Zum Beispiel sind da sehr schöne Chöre drin« scheint eher geeignet, die Verkaufszahlen des derart gepriesenen Instruments zu steigern als den Wissensstand des Videokäufers.

Nun sind nicht nur viele solcher Stilblüten zu bewundern, sondern auch echte Fehler zu beklagen. So verspricht Chris Höppner z.B., einen Pianosound zu verhallen, fügt ihm aber lediglich ein extremes Flanging hinzu. Über Sequenzer lernen wir gar folgendes: »Ein Hin-und Herspulen gibt es nicht, weil es ja nicht mechanisch läuft. So lassen sich auch bestimmte Stellen taktgenau auffinden.« Der Einsteiger, der bei einem derartigen Unsinn mithalten kann, muß wohl erst geboren werden. Wer unbedingt wissen möchte, welche unwichtigen Dinge man mit Fröhlichs exzellentem »Freestyle« anstellen kann, ist in der Softwareecke des Films bestens aufgehoben. Lang und breit erläutert der offensichtlich bereits mit der Softwareidee völlig überforderte Moderator die Möglichkeiten des MIDI-Setups, anstatt vorzuführen, wie schnell sich mit Freestyle ein Playback in diversen Stilrichtungen erzeugen läßt. Stattdessen füllt Herr Müller abschließend den Bildschirm mit C-Dur Akkorden.

Einziger Lichtblick: die Einführung in den C-LAB Notator durch C-LAB Programmierer Udo Hilwerling. Allerdings ist zweifelhaft, ob der Zuschauer dank der vorherigen »Einführung« hier überhaupt folgen kann. Kurzum: wer etwas über MIDI lernen möchte und 70 Mark übrig hat, wende sich an die nächste VHS und belege dort einen entsprechenden Kurs. Von diesem Video aber lasse man tunlichst die Finger. (wk)


Kai Schwirzke
Aus: TOS 09 / 1992, Seite 46

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