GEMnastik für den Atari: MultiGEM2 von Maxon macht Multitasking möglich

Bereits seit einiger Zeit bietet Maxon mit seinem MultiGEM eine Möglichkeit, mehrere Applikationen gleichzeitig auf dem Rechner zu fahren. Dabei blieben allerdings noch einige Einschränkungen, die mit der Version 2 nun endgültig wegfallen.

Ein beinahe magisches Wort bewegt seit geraumer Zeit die Gemüter der Atari Fan-Gemeinde. Multitasking - also die Fähigkeit, mehrere Programme scheinbar gleichzeitig nebeneinander ablaufen zu lassen -soll endlich auch Einzug in das Betriebssystem des Atari, das neue »MultiTOS«, halten.

Es existieren nun unterschiedliche Multitaskingsysteme, die sich unter anderem in der Art der Zeitvergabe für die einzelnen Programme unterscheiden. Ein Verfahren ist das sog. »Präemtive« oder »Zeitscheiben-gesteuerte« Multitasking. Stellen Sie sich die gesamtverfügbare Rechenzeit als runde Torte vor und jedes Programm, oder besser gesagt, jeder Prozeß, bekommt ein Stück vom großen Kuchen zugeteilt. Vertreter dieser Gattung Multitasking sind z.B. das Freewareprojekt »MiNT« von Eric R. Smith (zu finden in jeder gut sortierten Mailbox) oder das neue »MultiTOS« von Atari, das in seinem Kern auf »MiNT« basiert. Nun vertragen nicht alle Prozesse (und Betriebssysteme wie das TOS) eine Unterbrechung zu einem x-beliebigen Zeitpunkt, schon gar nicht, wenn sie dieses nicht selber ausdrücklich wünschen. An der Lösung solcher Probleme arbeiten momentan die Atari-Entwickler mit Vollgas.

Etwas anders geht das »Kooperative Multitasking« vor. Die Prozeßumschaltung erfolgt beim Aufruf bestimmter Betriebssystemfunktionen, in der Regel sind das AES-Funktionen, durch die jeweiligen Programme. Einen Vorstoß in diese Richtung bietet bereits das »TOS« mit dem Einsatz von Accessories. Diese altbekannten Helfer arbeiten ebenfalls parallel zu anderen Applikationen, weisen aber eine Menge Einschränkungen auf. Auch findet hier kein echter Wechsel zwischen den Prozessen statt.

Eine Multitaskingerweiterung, die auf bereits vorhandene Betriebssystemteile aufbaut, bietet die Maxon Computer GmbH mit dem Programm »MultiGEM« seit über einem Jahr an. Spätestens bei Erscheinen dieser Ausgabe ist die Version MultiGEM2 erhältlich. Wie schon der Name verrät, greift das Programm aktiv in den »GEM-Teil« des Betriebssystems ein. Aus dem Auto-Ordner heraus gestartet, erlaubt MultiGEM2 nunmehr die Verwendung von beliebig vielen Applikationen und(!) Accessories. Das bisherige Limit von maximal sechs Prozessen aus der Version 1.02 ist zugunsten einer frei wählbaren Prozeßanzahl aufgehoben und praktisch nur noch abhängig vom verfügbaren RAM-Speicher. Allerdings besteht weiterhin das GEM-bedingte Limit von maximal sieben gleichzeitig geöffneten Fenstern, soweit die gestarteten Prozesse auf geöffnete Fenster angewiesen sind. Dieses Manko behebt aber das im Lieferumfang enthaltene Utility »Winx II«, das die Anzahl der verfügbaren Fenster auf 40 erhöht und weitere Features wie im Hintergrund zu verschiebende Fenster etc. bietet.

Bild 1. Accessories und Programme im trauten Miteinander, MultiGEM macht's möglich
Bild 2. Jedem so wie er es verdient, die Konfigurationsbox im Einsatz

Die Installation von MultiGEM2 auf Festplatte bzw. Bootdiskette geschieht mittels »Install.Prg«. Installation ist wörtlich zu nehmen, denn neben dem Kopieren der benötigten Dateien erfolgt hier auch eine individuelle Anpassung an das verwendete TOS, das übrigens mindestens die Versionsnummer 1.02 aufweisen muß. Ansonsten läuft MultiGEM2 aber auf allen offiziellen TOS-Versionen und in jeder Auflösung. Auf Wunsch legen Sie bei der Installation auch eine neue Desktop.inf/Newdesk.lnf Datei an, in der dann automatisch die Programme »Multiwin.Prg« und »Multilis.Prg« angemeldet sind. Ohne diese Einträge fehlt die automatische Umlenkung von TOS- und TTP-Programmen in Fenster bzw. die Ausgabe von beliebigen (Text)-dateien in ein Fenster.

Auf Ihre bisherige *.inf Datei haben Sie in diesem Falle allerdings nur noch in Form einer Sicherheitskopie Zugriff. Das bereits angepaßte MultiGEM2 läßt sich übrigens nicht kopieren, bei einem TOS- oder Partitionswechsel etc. benötigen Sie zur Neuinstallation unbedingt die Original-Diskette! Nach dem Start von Multi-GEM2 offenbart sich sofort eine Neuerung gegenüber der alten Version. Das Accessory-Menü bleibt komplett leer, vielmehr findet sich nach einem Klick auf das MultiGEM2-Icon im linken Teil der Menüleiste bzw. auf einen freien Bereich derselben ein eigenes Menü. Hier sind neben den geladenen Accessories alle zur Konfiguration von MultiGEM2 benötigten Funktionen sowie die bereits gestarteten Prozesse enthalten. Damit haben Sie alle geladenen Programme und Accessories gleichzeitig im Blick. Dieses MultiGEM2-Menü ist natürlich aus allen Menüleisten zu erreichen.

Ein Klick auf einen dieser Einträge schaltet automatisch auf den entsprechenden Prozeß um, wobei die jeweilige Programmumgebung mit Menüleiste und Desktop erscheint. Multitasking-Neulinge verlieren hier schon einmal den Überblick, da naturgemäß bereits geöffnete Fenster, beispielsweise das aktuelle Laufwerkfenster oder das Dokumentenfenster von Wordplus, sich nicht automatisch schließen. Ein Klick in eines dieser Fenster wechselt automatisch in die zugehörige Applikation. Alle Tastatureingaben und Mausaktionen leitet MultiGEM2 an das jeweils aktive Fenster, respektive den zugehörigen Prozeß weiter. Dies führt anfänglich leicht zu Konfusion, wenn Sie sich beispielsweise in Wordplus befinden, aber kein Dokumentenfenster geöffnet haben und dafür das Pure C-Quelltextfenster aktiv ist. Somit beziehen sich alle Shortcuts auf Pure C. Falls überhaupt kein Fenster offensteht, reagiert auch die Menüleiste nicht auf Tastendrücke. Möchten Sie aus einem Programm mit eigenem Desktop weitere Programme neustarten oder z.B. ein Laufwerk-Fenster öffnen, so betätigen Sie den Punkt »Desktop«.

Tiefgekühlt bleibt langer haltbar

Momentan nicht benötigte Prozesse frieren Sie über »Programme ausblenden« ein. Über das etwas gewöhnungsbedürftig zu erreichende Submenü haben Sie die Wahl, alle inaktiven oder momentan laufenden Programme auszublenden. Derartig gestoppt, belegen diese dann keine Rechenzeit mehr. Außerdem schließen sich die zugehörigen Fenster, sehr praktisch, um auf kleinen Monitoren wieder die Übersicht zu gewinnen. Selbstverständlich belegen die ausgeblendeten Programme weiterhin RAM-Speicher, lassen sich dafür aber jederzeit durch einen Klick auf den mittlerweile grau dargestellten Programmnamen im MultiGEM-Pop-Up reaktivieren. Für einen einwandfreien Multitasking-Betrieb verlangt MultiGEM2 eine saubere GEM-Programmierung der beteiligten Prozesse. Halten sich einzelne Programme nicht an diese Richtlinien, dann gibt's Probleme, wie z.B. handfesten Bildschirmmüll und Pixelreste durch konsequentes Nichtbenutzen von GEM-Fenstern bei der Bildausgabe. Für den sauberen Durchblick sorgt in diesen Fällen der Befehl »Neuzeichnen«, allerdings muß dann mindestens eine der parallel laufenden Applikationen ihren Bildaufbau über GEM-Funktionen bewerkstelligen. Gerade im Anfangstadium ist das der Griff zum Rettungsanker, denn nicht alles, was Fenster hat, ist auch ein GEM-Programm. Derartige Ignoranten verlangen oft eine strikte Isolierung über einen speziellen »Single-Modus«, der sich über das Konfigurationsprogramm unter »MultiGEM Optionen...« erreichen läßt.

Programme, die vollkommen auf GEM verzichten und somit Multitasking nicht vertragen, wie z.B. Signum!3, viele Grafik- und CAD-Programme, laufen in diesem Modus relativ problemlos. Parallellaufende Prozesse sind während der Arbeit mit dem »Single« eingefroren, allerdings haben Sie über das Pop-Up weiterhin Zugriff auf die Accessories, selbst bei gesperrtem ACC-Eintrag. Dank unzureichender Richtlinien für Entwickler seitens Atari herrscht ein arger Wildwuchs beim Programmdesign. Die Rechnung präsentiert sich spätestens jetzt dem armen Laien, der nun für viele Programme die Multitaskingfähigkeit austesten darf. Zwar verhält sich MultiGEM2 insgesamt recht gutmütig, doch sind wunderliche Programmreaktionen in dieser Testphase nicht ganz auszuschließen. Besonders ärgerlich ist es, wenn einzelne Prozesse den Mauspfeil nicht über GEM-Funktionen abschalten und nur blindes Geklicke ins MultiGEM-Menü das verschwundene Tierchen wieder erscheinen läßt.

Programme, die besser nicht unter MultiGEM2 laufen sollten, da sie z.B. nur per Reset zu beenden sind oder sofort den gesamten Speicher überschreiben, wie es einige Spiele oder PC-Emulatoren tun, erhalten über den Schalter »kritisch« in der MultiGEM-Konfiguration eine Art »Warnstatus«. Vor einem künftigen Start erscheint dann erst eine Sicherheitsabfrage! Schreiben Programme außerhalb von Fenstern ständig Informationen auf den Bildschirm, so sollte der Button »Xwind_find« aktiviert sein.

Unter »Autostart« legen Sie den Pfad für die Applikationen fest, die sofort nach Hochfahren des Rechners zur Verfügung stehen sollen. Mit der Einstellung »Speicher« bekämpfen Sie eine weitere Unsitte.

Viele Programme belegen nach dem Start sämtlichen verfügbaren Speicher, so daß für weitere Prozesse kein Platz vorhanden ist. Sie teilen hier nun dem Programm die Menge Speicher zu, mit der es dann auskommen muß. Machen Sie keine Angaben, so legt MultiGEM2 automatisch ein MByte fest. Sämtliche Konfigurationen ordnen Sie den jeweiligen Programmen im rechten Teil der Box zu. Zusätzlich zeigt MultiGEM2 im unteren Drittel der Box noch die momentane Speicheraufteilung. Hier stellen Sie bei Bedarf auch die Prozeß- oder »Slotanzahl« fest.

Bild 3. Fensterln ist nicht immer leicht, wer gehört zu wem?

Das mitgelieferte Handbuch, übrigens auf Umweltpapier gedruckt, erläutert einfach und übersichtlich alle Funktionen. Wer es genauer wissen will, findet Details wie Einsatzmöglichkeiten von Multi-GEM2, besondere Tips und Tricks, sowie Informationen für Programmierer. Eine wichtige Kleinigkeit findet sich hier allerdings erst zum Schluß. Für einen fehlerfreien Betrieb müssen Sie die Anzahl der maximal verfügbaren Ordnerplätze mittels »Foldr100.Prg« deutlich heraufsetzen.

MultiGEM2 unterstützt auch alternative Desktops, wie z.B. Gemini oder Ease. Auch Softwareblitter wie das NVDI verdaut es ohne Murren. Insgesamt sehr stabil und einfach in der Handhabung dürfte es im normalen Multitaskingbetrieb keine Probleme geben. Lediglich ein allzu wildes Hin-und Herschalten zwischen den Prozessen bringt das Multitaskingsystem aus dem Konzept. Probleme mit der Speicherverwaltung entstehen dann, wenn einzelne Applikationen den RAM-Speicher zerklüften. Doch dafür kann MultiGEM2 auch nichts. Ärgerlich ist die Behandlung von TOS-und TTP-Programmen. 1st die Umlenkung dieser Programme in ein Fenster gewährleistet (siehe oben), so bringen VT 52-Steuerzeichen die Ausgabe etwas durcheinander. Aber damit läßt sich leben. (wk)

Vertrieb: MAXON Computer GmbH, Schwalbacher Str. 52, 6236 Eschborn

WERTUNG

Name: MultiGEM 2
Preis: 159 Mark, Update von 1.x: 20 Mark, direkt über PAM Software
Hersteller: PAM Software, Carl-Zuckermayer-Str.27, 6500 Mainz 33

Stärken: einfache Handhabung □ beliebig viele Applikationen und Accessories starten □ Ausblenden einzelner Prozesse □ Handbuch

Schwächen: fehlende VT52-Unterstützung □ Konfigurationsprogramm etwas unübersichtlich


Andreas Wischerhoff
Aus: TOS 09 / 1992, Seite 37

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