Bild 1: Das Erscheinungsbild des Master-Tracks Pro nach dem Laden.
Die amerikanische Firma Passport Design, die zu den Pionieren des PC-Einsatzes im Bereich Musik gehört, hat vor kurzem einen sehr interessanten neuen Sequencer vorgestellt, der eine Ăbertragung eines Macintosh-Programmes darstellt. die BedienungsoberflĂ€che dieses Programmes kann ihre Herkunft von Apples Lieblingsfrucht nicht verleugnen. Keine âfestmontiertenâ Bedienungselemente, alles spielt sich (im wahrsten Sinne des Wortes) in Fenstern ab. Ob dieser Sequencer eine Konkurrenz fĂŒr das Hamburger Sequencer-Spitzenduo, den Steinberg Twenty-Four und den C-LAB Creator, sein kann, erfahren sie in diesem test.
Das Handbuch des Programmes, das sehr ausfĂŒhrlich, aber (natĂŒrlich) Englisch ist, zeigt jedenfalls Ăberzeugung; ihm zufolge ist der Master Tracks Pro der leistungsfĂ€higste Sequencer aller Zeiten. Das ist zwar vielleicht etwas ĂŒbertrieben, aber einige Besonderheiten und viele, viele gute Ideen sind im Master Tracks Pro enthalten und machen ihn extrem interessant.
Zuerst zum Lieferumfang: Ein grauer, rotbeschrifteter Schuber im typisch amerikanischen Softwareformat (sieht richtig edel aus) enthĂ€lt in einem Ringhefter das Handbuch und eine kopiergeschĂŒtzte Diskette. Backup-Kopien sind zwar möglich, aber leider muĂ die Originaldiskette beim Start des Programmes eingelegt werden. ZusĂ€tzlich kann bei Passport eine kostenlose Sicherheitskopie bestellt werden.
Der Sequencer funktioniert in Farbe und SchwarzweiĂ, allerdings wird das neue TOS noch nicht unterstĂŒtzt.
Nach dem Laden meldet sich der Master Tracks Pro mit einem Bildschirm, der fĂŒr einen Sequencer erstaunlich leer ist. Nur drei Fenster zeigen sich, verloren um sich blickend, auf dem Bildschirm (Siehe Bild 1).
Das gröĂte dieser Fenster enthĂ€lt die wichtigsten Daten der 64 Spuren, ĂŒber die das Programm verfĂŒgt. Links mit der Spurnummer beginnend, folgen Schalter fĂŒr Wiedergabe und Aufnahme sowie einen Soloâ-Mode, der wie bei einem Studio-Mischpult alle Spuren bis auf die ausgewĂ€hlte abschaltet. Ein weiteres Feld soll einen Namen fĂŒr die Spur aufnehmen. SchlieĂlich gibt es noch die Möglichkeit, einen Midi-Kanal und eine Programm-Change-Nummer einzugeben, was automatisches AnwĂ€hlen eines Klanges an angeschlossenen Keyboards erlaubt. Eine Loop-Funktion dient dazu, den gesamten Inhalt des Tracks pausenlos zu wiederholen, solange, bis man die Stop-Taste betĂ€tigt.
In der unteren BildschirmhĂ€lfte finden sich zwei Fenster, die die wichtigsten Bedienungselemente enthalten; Das eine erinnert stark an einen Kassettenrekorder - es finden sich Tasten zum Vor- und ZurĂŒckspulen, fĂŒr Aufnahme, Wiedergabe, Pause und Stop. Genauso funktionieren sie auch. Ein ZĂ€hlwerk, das in Takten und nach abgelaufener Zeit zĂ€hlt, ist auch vorhanden. Das zweite, ein winziges, kleines Fensterchen, dient der Anzeige und VerĂ€nderung von TaktmaĂ und Tempo.
An diesen Bedienungselementen erkennt man schon das grundsĂ€tzliche Konzept des Master Tracks Pro. StĂ€rker noch als bei Steinbergs Twentyfour oder C-Labs Creator wird eine Tonbandmaschine simuliert. GrundsĂ€tzliche Arbeitsweise: Eine der 64 Spuren wird in den Aufnahme-Modus gesetzt. Nach Druck auf die âRecordâ-Taste, wenn das elektronische Band zu laufen beginnt, wird, wie bei einer Bandmaschine alles aufgenommen, was am Midi-Eingang ankommt. Bei der Bandmaschine werden natĂŒrlich die Töne aufgezeichnet, wĂ€hrend der Computer sich nur Midi-Daten merkt. Die Aufnahmen auf einer Spur werden nicht, wie bei anderen Sequencern, in einzelne Pattern zerlegt, die unabhĂ€ngig editiert werden können. Alles funktioniert wie bei einem BandgerĂ€t. Dabei ist das System allerdings streng taktorientiert. Aufnahmen, die nicht exakt an einer Taktgrenze enden, werden bis zur nĂ€chsten Taktgrenze mit Pausen gefĂŒllt. Will man also Musik mit komplexen Strukturen aufnehmen, bleibt einem nichts anderes ĂŒbrig, als alle Taktwechsel in einer speziellen, 65sten Spur mit dem Namen âConductor-Trackâ (also Dirigenten-Spur) zu programmieren. Das ist aber sehr komfortabel. Lediglich fĂŒr neue Musik, die sich oft genug ĂŒberhaupt nicht in ein Taktschema pressen lĂ€Ăt, hat dieses Verfahren echte Nachteile. âNormaleâ Anwender werden mit diesem Konzept keine Schwierigkeiten haben.
ZusĂ€tzlich zu diesem einfachen Bedienungskonzept, das sehr komfortabel ist, wurden leistungsfĂ€hige Editoren eingebaut, die es ermöglichen, so ziemlich alle aufgenommenen Midi-Daten zu verĂ€ndern. Jeder der Editoren besitzt ein eigenes Fenster. Diese Fensterflut hat Vor- und Nachteile. Der Nachteil ist, daĂ beim ST oder Macintosh immer nur ein Fenster aktiv sein kann, nĂ€mlich das oberste. Aufgrund eines merkwĂŒrdigen âNaturgesetzesâ ist nun leider immer das Fenster aktiv, in dem man gerade nicht arbeitet, so daĂ man immer einige Mausklicks fĂŒr den Wechsel zwischen verschiedenen Fenstern benötigt. Das nervt manchmal ein wenig. Wenn doch wenigstens das Fenster mit den Bedienungselementen immer aktiv wĂ€re.... Man muĂ allerdings dazusagen, daĂ nahezu alle wichtigen Funktionen auch mit Tasten erreichbar sind, so daĂ man nach einiger Einarbeitung garnicht mehr dauernd in das Bandtransport-Fenster springen muĂ. AuĂerdem hat man sich bei Passport etwas geniales einfallen lassen: Alle Transportfunktionen (und auch einige andere, dazu spĂ€ter mehr) lassen sich auch auf Tasten eines angeschlossenen Midi-Keyboards legen. Das ist wahnsinnig praktisch, da es eigentlich immer ein paar Tasten auf der Klaviatur gibt, die nicht fĂŒr das MusikstĂŒck gebraucht werden. Im Studio und live muĂ man so viel weniger zur Atari-Tastatur oder Maus greifen.
Aber zurĂŒck zu den Editoren. Es gibt drei Gruppen davon: Die erste Gruppe besteht aus dem Song- und dem Stepeditor, die die wichtigsten, meistgebrauchten Werkzeuge sind. Dann gibt es den Editor fĂŒr den Conductor-Track. Die dritte Gruppe besteht aus einer ganzen Reihe von Fenstern, die im Prinzip gleich funktionieren, aber jedes von ihnen beeinfluĂt einen anderen Midi-Controller.
Das Bedienungskonzept aller Editoren ist sehr konsistent, es funktioniert immer nach dem gleichen Prinzip: Wie bei einem Textprogramm gibt es die Kommandos âCutâ, âCopyâ, âClearâ und âPasteâ, also âAusschneidenâ, âKopierenâ, âLöschenâ und âEinklebenâ. Man wĂ€hlt zuerst mit der Maus einen Bereich der Daten, die der jeweilige Editor anzeigt, aus. Dann kann man den Bereich löschen (âClearâ), ausschneiden (âCutâ - wie mit der Schere, das Original ist damit verschwunden) oder kopieren (âCopyâ - im Gegensatz zum âCutâ-Kommando wird der ausgewĂ€hlte Bereich nicht herausgeschnitten sondern herauskopiert). Ein durch âCutâ oder âCopyâ ins sogenannte âClipboard' (Klemmbrett) gebrachter Bereich kann dann an einer beliebigen anderen Stelle mit dem âPasteâ-Kommando eingeklebt werden. Diese Art der Editierung ist sehr intuitiv und ĂŒbersichtlich. Vor allem gefĂ€llt die Geschlossenheit, alles funktioniert gleich, und alles funktioniert, wie man es von einem Textprogramm kennt - nur mit Musik. Und schlieĂlich stammt das âCutâ-âCopyâ-âPasteâ-Prinzip ja von der Papier-Methode mit Schere und Klebstoff.
Ein âUndoâ-Kommando steht ebenfalls zur VerfĂŒgung, mit dem jeweils die letzte Operation zurĂŒckgenommen werden kann. Dabei wird in der MenĂŒleiste eben diese letzte Operation hinter dem âUndoâ-Kommando angezeigt, so daĂ man immer weiĂ, was man zurĂŒckzunehmen gedenkt. SchlieĂlich kann man sich in die Editoren hinein- und wieder herauszoomen, um immer einen möglichst sinnvollen Ausschnitt zu zeigen.
Der Song-Editor zeigt alle bespielten Takte jeder Spur als kleine schwarze Rechtecke (Bild 2). Mit den oben gezeigten Kommandos können nun beliebige Ausschnitte kopiert oder verschoben werden. Wie oben bereits erwĂ€hnt, können nur ganze Takte bearbeitet werden, es ist nicht möglich, innerhalb eines Taktes zu schneiden. Wenn dies doch einmal notwendig werden sollte, muĂ man den Taktwert des betreffenden Taktes Ă€ndern, z.B. aus einem 4/4tel Takt vier 1/4tel Takte machen. Dann kann man zwischen jedem dieser Takte schneiden. Wichtig dabei ist, daĂ ĂŒberbundene Noten dabei recht intelligent behandelt werden: Nötige Note-on- und/oder Note-off-Befehle sind eingefĂŒgt, um hĂ€ngenbleibende Noten zu vermeiden. Mit dem Editor kann man einen Song recht schnell in die gewĂŒnschte Form bringen. Leider kann man keine ganzen Blöcke mit Namen versehen und zusammenfassen. Aber dafĂŒr gibt es Markierungspunkte, die beliebig im StĂŒck gesetzt und benannt werden können. Der Step-Editor ermöglicht den Blick in eine Spur hinein: Die aufgenommenen Töne werden Ă€hnlich wie beim Twentyfour als schwarze Balken dargestellt. Die LĂ€nge der Balken entspricht der Tondauer; anders als beim Twentyfour gibt allerdings die vertikale Höhe der Balken im Fenster die Tonhöhe wieder. Am linken Fensterand wird dies durch eine Klaviatur verdeutlicht. Der obere Teil des Fensters enthĂ€lt die Bedienungselemente des Step-Editors, nĂ€mlich Tasten, mit denen man die LĂ€nge einzugebender Noten festlegen kann, sowie einige weitere Felder fĂŒr verschiedene Parameter, wie z.B. die Tonhöhe, auf der sich die Maus befindet oder die exakte Position der Maus im StĂŒck. Bei den NotenlĂ€ngen sind alle wichtigen Werte enthalten, nicht nur Triolen, sondern auch beliebige n-Tuplets. Quintolen oder Septolen sind also kein Problem.
Bild 2: Song- und das Step-Editor Fenster
Es gibt drei Eingabe-Werkzeuge: Nach dem Anklicken eines Stift-Symbols kann man Noten, also Balken in das StĂŒck hineinmalen. Dabei wird die LĂ€nge verwendet, die mit den Notensymbolen eingestellt wurde. Das Radiergummi-Symbol dient dem Löschen von Noten. Nach der Anwahl des Klaviatur-Symbols kann man Noten der angewĂ€hlten LĂ€nge ĂŒber eine angeschlossene Midi-Klaviatur eingeben. Eine besonders gute Idee ist dabei, daĂ man die Umschaltung zwischen verschiedenen Notenwerten auf unbenutzte Tasten der Klaviatur legen kann. Zum Beispiel könnte man die unterste Taste der Klaviatur als Ganze Noteâ, die nĂ€chste als âHalbe Note" usw. definieren. Dann muĂ man nicht mmer zur Maus greifen, um solche Werte zu verĂ€ndern. Sehr praktisch!!! Wie gesagt, das gleiche geht auch mit den Transport-Funktionen fĂŒr das âelektronische Bandâ. WĂ€hlt man keines dieser Werkzeuge an, kann man mit der Maus, genau wie in allen anderen Editoren, mit Schere und Klebstoff editieren, also Teile ausschneiden und wiedereinkleben. AuĂerdem kann man einzelne Noten sehr prĂ€zise editieren; Ein Doppelklick auf einen bestimmten Balken öffnet ein Fenster, in dem alle Informationen ĂŒber diese Note, von der exakten Position bis zu Velocity angezeigt werden können und auch verĂ€nderbar sind. Diese Methode ist leider nicht so praktisch wie sie sich anhört, weil man jede Note erst anklicken muĂ, um sie editieren zu können. Das ist sehr zeitraubend. AuĂerdem fehlt dem Editor ein vertikales Raster, es ist gar nicht so einfach, eine Note wirklich exakt zu positionieren. Man muĂ immer konzentriert auf die Positionsanzeige schauen, was auf die Dauer auch etwas nervt. Kurz und gut, der Step-Editor enthĂ€lt viele gute und praktische Ideen, könnte aber durchaus noch Verbesserungen vertragen.
FĂŒr die Editierung von anderen Midi-Daten. also Controller, Pitch Bending, Sound Changes usw. und fĂŒr den Conduktor Track gibt es eigene Edit-Fenster. Die verschiedenen Edit-Fenster. die im wesentlichen gleich aussehen und sich nur in den zu bearbeitenden Daten unterscheiden, stellen die Informationen grafisch dar (Siehe Bild 3). Das ist eine gute Idee, vor allem die Editierung von Controller- und Pitch Bending-Daten wird erheblich einfacher, wenn auch leider nicht sehr gut zu sehen ist, auf welche Noten die jeweiligen Daten wirken. Am besten öffnet man gleichzeitig das Step Editor Fenster und ein Controller Fenster und legt die beiden Fenster untereinander. So gut diese Art der Darstellung fĂŒr Controller Daten ist, so unanschaulich ist sie fĂŒr Programm Changes.
AuĂer den Editoren bietet der Master Tracks Pro noch andere Editierkommandos, die unter dem MenĂŒtitel âChangeâ zusammengefaĂt sind. Diese Kommandos dienen dazu, bestimmte Midi-Daten in ausgewĂ€hlten Taktbereichen ganz gezielt zu verĂ€ndern. Man kann Midi-KanĂ€le, NotenlĂ€ngen, Velocity, Tempo, Taktart, so ziemlich alle Midi-Daten damit beeinflussen. Sogar den Typ der Controller-Informationen kann man verĂ€ndern. Sehr komfortabel ist die Möglichkeit, VerĂ€nderungen kontinuierlich in einem bestimmten Bereich vorzunehmen. Man muĂ nur den Anfangs- und Endwert eingeben, Zwischenwerte werden vom Programm errechnet.
Bild 3: Einer der grafischen Controller Editoren, hierfĂŒr Pitch Bend
Auch Standard-Funktionen wie Quantisierung und Transponieren finden sich im 'Change'-MenĂŒ. Das Quantisierungs-Kommando ist ungewöhnlich flexibel: Man kann selbst bestimmen, wie groĂ der maximale Fehler sein darf, bis zu dem korrigiert wird. AuĂerdem kann die Quantisierungsfunktion dafĂŒr verwendet werden, eine Spur mit einem kleinen Delay zu versehen. Die Funktion arbeitet sehr sauber. Die Aufnahmegenauigkeit des Master Tracks Pro ist ĂŒberhaupt sehr gut, die Auflösung betrĂ€gt l/960tel Note. Das ist mehr, als jeder andere Sequencer bietet und erlaubt auch exakte Quintoien. Andererseits darf man diese Auflösung nicht ĂŒberbewerten, fĂŒr die allermeisten Anwendungen wird sie nicht benötigt. Aber schaden kann's nichts...
Ein originelles Kommando heiĂt âHumanize" und verĂ€ndert allzu exakt eingespielte oder quantisierte Spuren wieder ein wenig per Zufall, so daĂ sie natĂŒrlicher klingen. Sehr, sehr nĂŒtzlich, vor allem fĂŒr die Arbeit an zeitabhĂ€ngigen StĂŒcken, z.B. fĂŒr Filmmusik, ist das âFit Time'-Kommando. Damit kann ein ausgewĂ€hlter Bereich eines StĂŒckes so im Tempo verĂ€ndert werden, daĂ er exakt in eine bestimmte Zeit hineinpaĂt, die auf die Zehntelsekunde genau angegeben werden kann. Abgerundet wird der Master Tracks Pro schlieĂlich durch ein System Exclusive-Utility, mit dem man zum Beispiel Klangdaten von Synthesizern abspeichern kann. Leider funktioniert dieses Utility nur mit einfachem Protokoll, GerĂ€te die einen Dialog fĂŒhren mĂŒssen, werden nicht unterstĂŒtzt.
Passport hat mit dem Master Tracks Pro ein Programm vorgelegt, das im Gegensatz zu den Werken vieler anderer Konkurrenten gute neue Ideen beinhaltet. Die BedienungsoberflÀche ist konsequent durchgestaltet und sehr einfach zu durchschauen, allerdings manchmal etwas umstÀndlich. Die Funktionen des Programmes sind vielfÀltig und ausgereift. Mir persönlich fehlt eine Möglichkeit, innerhalb der Spuren einzelne Pattem zu bilden und zu arrangieren, auch wenn man diese Möglichkeit mit dem Cut und Paste Editing simulieren kann. Auch der Step Editor ist noch nicht perfekt. Dennoch, der Master Tracks Pro ist ein sehr gutes und schön gestaltetes Programm, das sicherlich in die Sequencer-Spitzengruppe gehört.
CS