Editorial - Neulich in der Mailbox

Streifzug durch die Datennetze

Als vor wenigen Jahren die ersten Bits und Bytes mit satten 300 Baud durch Deutschlands Telefonleitungen sausten, dachte noch keiner der wenigen Anwender daran, was aus dem Medium „Datenfernübertragung" einmal werden könnte. Oft wurden DFÜ-Betreiber als Spinner abgetan. Diesen Spinnern aber haben wir es zu verdanken, daß es heute eine Vielzahl von privaten Datennetzen gibt, die täglich die neuesten Nachrichten und Mitteilungen der Benutzer untereinander austauschen. Längst haben sie in Sachen Aktualität die ansässigen Fachzeitschriften überholt. Immerhin lassen sich zu den Nachrichten auch gleich die passenden Programme übertragen. Kein Wunder also, daß sich besonders Software-Entwickler diese Art der Kommunikation mehr und mehr zunutze machen, um sich in öffentlichen Foren über ihre Problemchen im Umgang mit dem elektronischen Helfer auf dem Schreibtisch zu besprechen. Es ist ja auch sehr bequem, man braucht nicht einmal vom geliebten Schreibtischstuhl aufzustehen, um den Briefkasten zu leeren.

Allerdings hat alles auch seine Schattenseiten. Nicht selten taucht das eine oder andere Gerücht über den neuesten Super-Computer oder den drohenden Zusammenbruch eines EDV-Giganten in einem Mailbox-Netz auf und sorgt für allgemeine Verwirrung. Der Wahrheitsgehalt einer solchen Nachricht läßt sich leider nur sehr schlecht nachprüfen - man sollte sich hier eben nicht unbedingt auf den Namen des Absenders verlassen. Aus solchen Gerüchten entwickelt sich so manche hitzige Diskussion, die schier endlose Blüten treibt und bei der alle Beteiligten hinterher meist genauso schlau sind wie vorher. Aber selbst solche wenig sinnvollen Diskussionen sind nicht überflüssig, sie können immer noch zur allgemeinen Erheiterung der unbeteiligten, aber still mitlesenden User beitragen. Auch dies steigert letztlich die Attraktivität der Mailbox-Netze.

Viel Spaß also beim Streifzug durch die Datennetze!


Christian Möller
Aus: ST-Computer 06 / 1992, Seite 3

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