Der Atari spielt GameBoy: STemBoy 3.25

Der ST emuliert den GameBoy und das im GEM-Fenster - mittlerweile ist eine neue Version erschienen.

Das der ST Ende der 80er das Chamäleon unter den Computern war, ist heute fast vergessen. Für damalige Verhältnisse gute Mac- und PC-Emulatoren sowie eine breite Palette an Betriebssystemen machten den ST zur universellen Einsatzmaschine für alle Anwendungen. An dem Software-PC-Emulator "pc-ditto" wurde jedoch damals bereits deutlich, dass ein reiner Software-Emulator hohe Rechenleistung benötigt. Dies ist auch der primäre Grund, warum die Emulatorenszene auf dem ST nie so recht in Gang gekommen ist. Auf der anderen Seite ärgern sich Besitzer eines schnellen Atari-Clones, dass die Software- Emulatoren oftmals nicht besonders sauber programmiert wurden. So bleiben von den ca. dreißig Emulatoren gerade einmal fünf Emulatoren übrig.

Karateka

Nintari

Ein kleiner Teil der Emulatoren auf dem Atari widmet sich den Konsolen - davon allesamt den Nintendo-Konsolen. Die Reservoir Gods haben einen etwas umständlichen Weg genommen und angeblich Teile des C64-Emulators "Frodo" für ihre beiden GameBoy-Emulatoren verwendet. Denjenigen, die sich nicht intensiv mit Emulatoren beschäftigen, wird es wahrscheinlich unbegreiflich sein, aber selbst die Emulation einer auf den ersten Blick eher simplen Konsole fordert den Atari stark. Dies ist auch der Grund, warum Godboy auf einzelne Spiele optimiert wurde, darunter auch "Super Mario Bros. 1".
Verwandt mit dem Projekt ist Ed Clevelands NES-Emulator, der im Internet kursiert. Gedacht ist dieser Emulator für normale STs, aber da er nie fertiggestellt wurde, ist er langsam und absturzfreudig.
Mit "gnuboy" hat Patrice Mandin einen bekannten Emulator aus der Unix-Welt portiert, aber dieser scheint noch zu sehr mit seinen Unix-Ursprüngen verwurzelt zu sein und ist fr Normalspieler sehr benutzungsunfreundlich.
Mehr vorzuweisen hatte da Bodo Wenzel. Sein "STemBoy" erschien still und heimlich und wird weiterentwickelt.

Der GameBoy

Den Nintendo GameBoy gibt es in verschiedenen Varianten: GameBoy, Pocket GameBoy, Super GameBoy, GameBoy Color und GameBoy Advance. Während die ersten beiden Exemplare technisch identisch sind, fordern die anderen drei eine höhere Leistung vom Emulator ab. Die Atari-GB-Emulatoren unterstützen nur den normalen GameBoy, Color- und Advance-Spiele laufen nicht! Der Super-GB ist ein Sonderfall, da es ihn als tragbaren GameBoy nie gab. Mit viel Getöse brachte Nintendo vor Jahren einen GameBoy-Adapter für das aktuelle SuperNES heraus - und das, als die meisten auf einen Adapter für die alten NES-Spiele warteten. Dieser Adapter enthielt praktisch einen kompletten GameBoy, erlaubte aber die Verwendung von speziellen Farbsets oder gar echten Farbbildern. Die Spiele konnten so programmiert werden, das sie weiterhin auf einem normalen s/w GameBoy liefen. Wer sich ein Super-GB-Spiel anschaut, wird ein paar Ähnlichkeiten zu "Godboy" feststellen. Obwohl optisch durchaus vergleichbar, emuliert der GodBoy nicht die Extra-Funktionen des Super-GB.
Eine Bemerkung noch zum GB Advance: dieser wird nicht nur von Nintendo gehypet, sondern zieht auch Hobby-Programmierer an. Dank einer ausreichend schnellen CPU gibt es schon einen Spectrum-Emulator und demnächst einen VCS-Emulator.

Legaler Aspekt

Spätestens mit den ersten GB Advance ist eine Diskussion um die Legalität von Emulatoren entbrannt. Rein rechtlich gesehen werden keine Copyrights verletzt, solange nicht die Original-ROMs, BIOS-Routinen o.ä. verwendet werden. Das man mit den Emulatoren i.d.R. auch kommerzielle Spiele starten kann, ist für den Emulator selber nicht von belang, es sei denn, es werden kommerzielle Spiele mitgeliefert. Ein generischer Emulator, der versucht, jedes Spiel zu starten, kann zudem auch PD-Spiele starten. Problematisch waren auf dem Atari vor allem die Godboy/Godlenes, die das kommerzielle Spiel gleich mitlieferten.
Gerichtsurteile, die die Legalität von Emulatoren bestätigen, gibt es einige. Atari hatte seinerzeit sogar selber gegen Coleco geklagt wegen des VCS-Clones "Gemini" und dem Colecovision-VCS-Adapter - und verloren.

STemBoy

STemBoy wurde von Bodo Wenzel programmiert. Bodo beschäftigt sich intensiv mit den Palm-Handhelds und hat einige Tools zur Kommunikation mit den PDAs veröffentlicht. Der Vorteil an der Kombination Atari-Palm ist die (fast) gemeinsame Prozessorbasis: der Dragonball, der im Palm Verwendung findet, ist mit der 680x0 CPU der Ataris verwandt. Damit eignet sich der Atari auch zur Cross-Plattformentwicklung für den Palm. So nahm auch PalmBoy seinen Anfang, die ST-Version STemBoy war praktisch "nur" ein Nebenprodukt. Die ersten Versionen dienten nur Debugging-Zwecken, erst mit der Version 3 war die Emulation relativ vollständig. Auf der ST-Seite diente ein alter MegaST mit s/w-Monitor als Entwicklungsumgebung, dementsprechend wählerisch war der Emulator auch und verweigerte auf Farbsystemen seinen Dienst. Das dieser MegaST wenig später seinen Geist aufgab, war zwar wenig erfreulich für den Entwickler, brachte aber einen weiteren Fortschritt für das Programm: STemBoy wurde fortan unter Linux mit dem Atari-Emulator STonX entwickelt. Da der Emulator farbfähig ist, stellen für die Version 3.2 Farbauflösungen kein Problem dar. Ein anderes Problem ist da wohl, das es für Linux die besseren Tools zur Palm-Programmentwicklung gibt. Damit war die Weiterentwicklung von STemBoy eingestellt - jedoch wurde der Source vom Autor dieses Artikels genommen, modifiziert und etwas modernisiert: fertig ist die Version 3.25.

Voraussetzungen

STemBoy sollte auf jedem Atari und Clone laufen, unabhängig von der TOS-Version. Getestet wurde es aber nur unter MagiCPC/MagiCMac, TOS1.04, TOS2.06 und STonX. Die größte Voraussetzung ist jedoch ein ausreichend schneller Rechner. Je nach Spielgenre ist mehr oder weniger Rechenleistung erforderlich. Für die Spielsteuerung kann entweder der Joystick oder die Tastatur verwendet werden.
Um etwas sinnvolles mit dem Emulator anfangen zu können, müssen natürlich GameBoy-Spiele vorhanden sein. Zwei PD-Spiele sind mit im Archiv: "Ship" und "Sokoban".

Start

Nach dem Start meldet sich STemBoy mit dem Emulationsfenster. Wer unter MagiC arbeitet, wird bemerken, dass die Menüleiste nun im 3D-Look erscheint. Auch die Dialoge sind im 3D-Look. Ebenso werden in Farbauflösungen die Farben nicht mehr geändert, was die Geschwindigkeit etwas reduziert, aber in Farbauflösungen besser aussieht.
Ist ein Spiel ausgewählt, wird es normalerweise auch sofort abgespielt. Sollte dies nicht der Fall sein, kann über "Emulation/Run" das Spiel gestartet werden.

Steuerung

Da der GameBoy über mehr Knöpfe als ein Joystick verfügt, mußten einige Tasten belegt werden. Ebenso wurde seit einer der letzten Versionen an all jene gedacht, die keinen Joystick anschließen können z.B. Milan- und Emulatoren-Nutzer.
Die Control-Taste enspricht Select, Links-Shift dem B-Button und Alternate dem A-Button. Für den Start-Button wird Rechts-Shift und - seit v3.25 - die Return-Taste verwendet. Der Grund dafür sind diverse Emulatoren, die nicht zwischen linker und rechter Shift-Taste unterscheiden können.

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VCS Boxing

Games people play

Um Ihnen einen Eindruck von der Bandbreite der GameBoy-Software zu geben, die in STemBoy läuft, stellen wir einige Spiele vor. Insgesamt sind tausende GB-Spiele erschienen, die Heimentwicklerszene ist die aktivste aller Konsolen und auch von der Qualität sind viele PD-Spiele ungeschlagen. Leider haben sich viele PD-Entwickler mittlerweile dem Color- oder Advance-Modell zugewandt.
Wenn Sie kommerzielle Spiele im STemBoy laufen lassen, müssen Sie sich im Besitz des Originals befinden.

Atari 2600 Boxing PD
Schweiß, Adrenalin, düstere Gestalten am Ring und das Motto "Zwei gehen rein, einer kommt raus" treffen auf dieses Spiel zwar nicht zu, aber die nachprogrammierte Version des VCS-Boxen ist ganz gut gelungen. Der Boxer befindet sich immer im Vorwärtsgang und dreht sich nicht zu seinem Gegner um. Mit der Faust muß der Kopf des Gegners getroffen werden, der daraufhin zwar nicht abfällt, sich aber positiv auf dem Punktekonto bemerkbar macht.
Dieses Spiel gibt es in einer Beta-Version. Neben dem schon bereits erwähnten Fehler können die Boxer auch durch den anderen hindurchgehen. Ansonsten ist das Spiel gut spielbar und auch für kleine STs geeignet.

Donkey Kong
Das Spiel stürzt nach dem Auswählen eines Spielstandes ab.

Master Karateka
Eine Deluxe-Ausgabe des Karate-Klassikers "Karateka". Das Spiel lehnt sich stark an "Kung Fu Master" an, außer das sich die Anzahl an Gegnern in Grenzen hält. Der erste Bildschirm dient dem Verteilen von Charakterpunkten, danach zuckelt sich der Spieler zum ersten Gegner. Per Button kann entweder getreten oder eine Runde gebetet werden. "Master Karateka" ist sehr langsam.

Mickey Mouse
Das Spiel zur Mouse ist ein klassischen Such-Spiel. Mickey Mouse sucht in den Leveln, die mit Leitern und Toren gespickt sind, nach Herzen. Dabei droht Gefahr von diversen Gegnern, wie z.B. dem bösen Plüschhasen. Mickey kann Gegenstände einsammeln und abschießen. Mickey Mouse ist ein ziemlich ödes Spiel, das aber in der Emulation perfekt läuft.

Motocross Maniacs

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Ebenso gut spielbar ist dieser Konami-Titel. Ein Motocross-Spiel aus der Seitenansicht mit guter Animation.

Parasol Stars

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Der dritte Teil der Bubble Bobble-Saga in s/w auf dem Game Boy. Mit dem Regenschirm werden Regentropfen oder Gegner aufgenommen und auf andere Gegner geschleudert. Wie auch die anderen Bubble Bobble-Spiele ist dieser Titel hervorragend.

Parodius
Dieser Shot'em up-Titel wurde leider nie für den Atari umgesetzt. Parodius ist Ballerspiel mit Humor. Gegner- und Spielersprites sind eher ungewöhnlich, so kann mit einem Pinguin gegen eine Kreuzung aus Katze und Piratenschiff gekämpft werden. Hier liegt im übrigen eine weitere Stärke des GameBoys: fast alle Ballerspiel-Klassiker wurden umgesetzt, tw. sogar mit speziell programmierten Nachfolgern.

Ship PD
Dieses Spiel ist im STemBoy-Archiv dabei und ist ein simples Ballerspiel. Das Spiel setzt die geballte Rechenleistung des GameBoy ein, um einen Zweikampf zwischen zwei Raumschiffen in 2D-Grafik darzustellen. Für gegnerische Schüsse hat es leider nicht mehr gereicht.

Sonic 6
Die Phantasie einiger GB-Programmierer treibt mitunter seltsame Blüten. Sonic 6 stammt nicht etwa von Sega, sondern von einigen namenlosen Programmierern. Natürlich ist das nicht ganz legal, immerhin ist es ganz gut gelungen. Unter STemBoy ist der Igel nur leider nicht zu sehen.

Optionen

STemBoy verfügt über eingebaute Debugging-Funktionen. Um die Geschwindigkeit der Emulation zu erhöhen, sollte im Emulation-Menü der Punkt "pure emulation" aktiviert sein. Damit wird ein Großteil der Debugging-Aktivität deaktiviert.
Für echte Experten steht ein Fenster mit den CPU-Meldungen, ein Opcode-Dialog und Breakpoints zur Verfügung.
Wer sich die Tasten zur Spielsteuerung nicht merken kann, findet eine Auflösung unter "STemBoy/About...". Der Dialog, der erscheint, ersetzt die zwei Dialogboxen der Version 3.2.

Weiterentwicklung

Da Bodo Wenzel den STemBoy weitergegeben hat, können Erweiterungen eingebaut werden. Die Version 3.25 ist - der Versionsnummer entsprechend - nur ein kleines Update. Neben den bereits erwähnten Änderungen unterstützt STemBoy lange Dateinamen. Die Dialoge sind tastaturbedienbar (nur MagiC/NAES2) und die Farben werden nicht mehr geändert.
Ob es allerdings jemals tiefergreifende Änderungen wie z.B. Sound geben wird, steht noch in den Sternen. STemBoy ist keine Portierung eines bereits existieren GameBoy-Emulators. Natürlich böte sich bei einem ausreichend schnellen Rechner auch eine Portierung eines Emulators an.

Fazit

STemBoy macht in Sachen Kompatibilität eine gute Figur. Mit dem derzeitigen Stand läßt sich schon das eine oder andere Spiel genießen. Sicher werden in der Zukunft das eine oder andere Feature hinzukommen. Wenn sich allerdings kein erfahrener ST- und GameBoy-Programmierer findet, wird Sound und bessere Stabilität aber nicht verwirklicht werden.

Homepage: http://www.jaapan.de/software/stemboy-3-30/


Mia Jaap
Aus: ST-Computer 09 / 2001, Seite 32

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